15.02.2013 — Mozart hat zwischen 23 und 30 Klavierkonzerte komponiert, je nachdem ob man Bearbeitungen oder Bruchstücke (ein einzelnes Rondo als alternativer Satz) mitzählt oder nicht. Nummern verteilt sind etwas dazwischen, das heisst, das letzte Konzert (KV 595) trägt die Nummer 27. Da entfaltet sich ein ganzer Kosmos an Konzertästhetik, der sich vielfältig gestalten lässt. Entsprechend bunt sind auch die neueren Veröffentlichungen dazu.
Da ist etwa eine Aufnahme des Freiburger Barockorchesters (Konzerte 17 und 22, Rondo KV 386), erschienen bei Harmonia Mundi, die zweifach auffällt: Zum einen steht sie, der Name «Barockorchester» und die Wahl des Fortepiano unterstreichen’s, in der Tradition des historisch-informierten Musizierens – in einer Hardcore-Variante; zum andern ist eine spezielle Aufnahmetechnik genutzt worden: Die Mikrophone sind kreisförmig aufgestellt worden, das Klavier steht genau in der Mitte, die Bläser in einer Reihe ihm gegenüber. Das Fortepiano ist damit klanglich mehr als üblich im Orchesterklang eingebettet, der flirrend-helle Klang des Fortepiano-Nachbaus erinnert auch ein wenig an ein Cembalo. Interpretatorisch ist da ziemlich geschraubt worden: Die Bläser erlauben sich Freiheiten in der Verzierung und forte- und piano-Anweisungen in den Streichern werden neueren Spekulationen folgend als Solo- und Tutti-Partien ausgelegt. Das ganze Klangbild erinnert so fast mehr an eine barocke Sinfonie als an das, was wir uns von gängiger Mozart-Ästhetik gewohnt sind.
Zeitlich gerade auf die andere Seite blicken das Orchestre de Chambre de Genève und der Pianist David Greilsammer. Sie konfrontieren die Mozart-Konzerte mit zeitgenössischen Klängen und, zu gegenwärtigen Moden passend, einer Countertenor-Arie. Das Mozart-Konzert (die Nummer 9) wird scharf konturiert, in hartem Licht und auf einem Flügel dargeboten, der mit seinem Glockenklang auch etwas an ein Hammerklavier erinnert (es gibt auf dem Label Claves eine Haskil-Aufnahme, auf welcher der Flügel ganz ähnlich klingt). Zu einer eingangs präsentierten Sinfonie (Nr. 23 KV 181) hat Greilsammer zusätzliche Paukenparts geschrieben. Entsprechend knallig beginnt das Ganze.
«in-between» für Streichquartett und Orchester des jungen Komponisten Denis Schuler, das in zwei Instrumentalsätze aus der Oper «Thamos» (KV 345) eingebettet ist, erweist sich als typisches Neue-Musik-Werk, klanglich konzipiert, mit Melodie- und Motivfetzen, teils eingebettet in flirrende Streicherklänge. Es bildet eine schroffe Gegenwelt zum Klangkosmos der Wiener Klassik.
Noch einmal einen andern Weg geht die kanadische Pianistin Janina Fialkowska. Sie spielt die Konzerte 13 und 14 begleitet von einem solistisch besetzten Streichquintett und ergänzt die Konzerte einerseits mit den Variationen über «Ah, vous dirai-je, Maman» KV 265, andererseits mit der «Kleinen Nachtmusik», welche die Chamber Players of Canada alleine darbieten. Da wird zwar mit Charme und auf hohem Niveau musiziert, allerdings wirkt das ganze etwas konventionell und trotz der Kammermusik-Besetzung orchestral oder korrepetitiv gedacht. Etwas mehr Feingestaltung in den Binnenstrukturen hätte die reduzierte Besetzung eher legitimiert, nicht zuletzt, da Fialkowska, die sich auch als Chopin-Interpretin eine Namen gemacht hat, darauf hinweist, dass der polnische Komponist seine Herkunft vom mozartschen Klavierkosmos betont hat. Man hätte sich mit Blick auf die Kammermusikästhetik eben gerade fragen können, ob und wie sich die filigrane Melodik Chopins auf Mozart rückübertragen liesse.
Schliesslich ist da kanonischer Mozart in Vollendung und als Massstab: Kein Neuaufbruch, kein neues Licht, aber als Summe interpretatorischer Lebenswerke als gestalterische Stimmigkeit schlechthin: Der Dirigent Claudio Abbado und die Pianistin Maria João Pires haben sich vor zehn Jahren bereits zusammengetan, um Mozart-Klavierkonzerte einzuspielen. Nun haben sie es, mit Abbados Orchestra Mozart zusammen, noch einmal getan (Konzerte 20 und 27). Die souveränen, gelassen, aber mit Spannkraft angegangenen Interpretation leuchten von innen und entheben Mozart der historischen Zeitgebundenheit, auf welche die Freiburger und Genfer verweisen. Da wird ein Endpunkt der Auseinandersetzung mit dem Salzburger Meister erreicht. Das Resultat kann Glücksgefühle erzeugen, aber auch die Ahnung, dass sich aus solcher Stringenz und Abgeklärtheit nicht Neues mehr entwickeln kann oder auch muss. (wb)
Mozart Piano Concertos K.453&482. Kristian Bezuidenhout, Freiburger Barockorchester, Petra Müllejans (Konzertmeisterin); harmonia mundi, HMC 902147.
David Greilsammer Mozart in-between. L’Orchestre de Chambre de Genève, Sony Classical 88725430252.
Mozart Concertos 13 and 14, Janina Fialkowska (Piano), Chamber Players of Canada, Eine kleine Nachtmusik, Variations for Piano on «Ah, vous dirai-je, Maman», ATMA Classique, ACD2 2532.
Mozart Piano Concertos Nos. 27 and 20, Maria João Pires (Piano), Claudio Abbado (Conductor), Orchestra Mozart, Universal/Deutsche Grammophon, Best.-Nr. 479 0075.