31.08.2012 — Wir geben’s zu, da ist uns ein klassischer Lesefehler unterlaufen. Vorschnelle Erwartungen halt. Wir haben «Beeethoven for ever» gelesen, was ja nicht so abwegig wäre, etwa wie «Elvis for ever», eine Art Koketterie mit dem Kultustatus des Komponisten, dem die Herzen, wenn nicht früher, dann spätestens zu seiner Beerdigung zugeflogen sind. Da hat sogar der Wiener Nachwuchs schulfrei bekommen. Popstar Ludwig van.
Es heisst aber «Beethoven for all» und da weiss man nun nicht so recht, ob das so oder ironisch gemeint ist. Beethoven ist schon lange Allgemeingut, man denke bloss an Ikonen wie «Ta,Ta,Ta, Taaaaaaa», Elisen-Geklimper – oder Götterfunken, zur Eurohymne mutiert.
Beethoven-Aufnahmen fürs Volk gibt’s zuhauf, mit Titeln wie «Im Bett mit Beethoven» (haben wir erfunden, ist aber gut…), «Mit Klassik in die Nacht» (Mondscheinsonate als Bonus Track) «Himmel voller Geigen» (mit Frühlingssonate und Violinkonzert) und so weiter und so fort bis zur Wühlkiste mit CD für einen Franken, pardon: bei Beethoven wohl Groschen.
Auch die Tripel-CD mit allen Klavierkonzerten beinhaltet keine neuen Aufnahmen, sondern Livemitschnitte aus der Jahrhunderthalle Bochum, die fünfeinalb Jahre auf dem Buckel haben und interpretatorisch in Ordnung scheinen. Wir haben die Probe auf Exempel mit dem 5. Klavierkonzert gemacht. Barenboim dirigiert die Staatskapelle Berlin gleich selber, was der Präzision des Zusammenspiels nicht unbedingt zuträglich ist. Mit Schmiss und Es-Dur-Heroismus wird man dafür reichlich bedient. Als Pianist füllt Barenboim den Ausdruck «Tastendonner» mit Sinn und ab und zu sind gar heftige Klopfgeräusche zu hören. Das wird wohl kaum das Schicksal sein, das da an die Türe hämmert.
Hinter dem Projekt steckt natürlich mehr. Es umfasst nicht nur die Klavierkonzerte, sondern auch die Sinfonien des Bonner Meisters – in Einspielungen mit dem West-Eastern Divan Orchestra – und der Klaviersonaten. Mit den Beethovenwerken sind Barenboim und das West-Eastern Divan Orchestra seit 2010 auch auf Tournee.
Zum Projekt gibt’s auch eine Webseite. Da wird dann in recht allgemeinen Wendungen der universale, revolutionäre Geist Beethovens beschworen, angesichts des nahöstlichen Orchesters auch der Arabische Frühling in appellativer Weltfriedens- und Freiheitsrethorik. Es gibt auf der Seite auch einige schräge Perlen, eine Zusammenstellung von Videos mit Beethoven-Zitaten als heiteres Ratespiel in moderner Rock- und Popmusik, von den Muppets über Kiss oder Alicia Keys bis zu Lady Gaga. Eben doch. Beethoven for ever.
Übrigens: In der Playlist findet sich eine umwerfend intelligente Beethoven-Sonaten-Parodie von Dudley Moore (hier). Wer sie nicht schon kennt: Nicht verpassen. (wb)
Beethoven for all. Die Klavierkonzerte. Staatskapelle Berlin, Daniel Barenboim (Klavier und Leitung). 3 CD, Decca Best.-Nr. 478 3515.