14.03.2014 — Bekanntlich gibt’s heute von allem zu viel, zu viel Konzerte, zu viel «originelle» und «innovative» neue Werke, zu viel (zu gute) Musiker, noch zu viel mehr (noch zu bessere) Musikerinnen, dem Normalkonsumenten ist’s schon lange schwindlig geworden. Das heutige Musikleben erträgt sich nur noch mit einer gehörigen Portion vorsätzlicher Ignoranz. In diesem überhitzten Zeitalter beschenkt uns die amerikanische Geigerin Hilary Hahn ausgerechnet mit Noch-mehrs ‒ Encores ‒ , einem Projekt, das man nicht mehr missen möchte, weil’s wie zu wenig des ansonsten Zuvielen etwas wirklich Zwingendes und Tiefgründiges hat. 26 Stücke hat Hahn direkt in Auftrag gegeben, für ein 27. hat sie einen Wettbewerb ausgeschrieben und zu ihrer eigenen Überraschung vierhundert Eingaben erhalten, was sie drei Monate lang beschäftigte ‒ allein mit Durchspielen der Wettbewerbsbeiträge.
14.03.2014 — Bekanntlich gibt’s heute von allem zu viel, zu viel Konzerte, zu viel «originelle» und «innovative» neue Werke, zu viel (zu gute) Musiker, noch zu viel mehr (noch zu bessere) Musikerinnen, dem Normalkonsumenten ist’s schon lange schwindlig geworden. Das heutige Musikleben erträgt sich nur noch mit einer gehörigen Portion vorsätzlicher Ignoranz. In diesem überhitzten Zeitalter beschenkt uns die amerikanische Geigerin Hilary Hahn ausgerechnet mit Noch-mehrs ‒ Encores ‒ , einem Projekt, das man nicht mehr missen möchte, weil’s wie zu wenig des ansonsten Zuvielen etwas wirklich Zwingendes und Tiefgründiges hat. 26 Stücke hat Hahn direkt in Auftrag gegeben, für ein 27. hat sie einen Wettbewerb ausgeschrieben und zu ihrer eigenen Überraschung vierhundert Eingaben erhalten, was sie drei Monate lang beschäftigte ‒ allein mit Durchspielen der Wettbewerbsbeiträge.
Zugaben waren im 19. Jahrhundert, ihrer grossen Epoche, eine schillernd doppelbödige Sache: zum einen in ihrer lapidaren Kürze eine Art Satyrspiele zu den Grossformen, die «seriöse Musik-Hochkultur» damals definierten, zum andern Spielwiese für innovative Kompositions- und Spieltechniken. Zudem fanden sie sich in der Nähe der Salon- und Charakterstücke, der Pop-Literatur der Zeit. Sie mussten eine musikalische Idee verständlich und packend auf den Punkt bringen. Darauf zurückzugreifen ist in der heutigen Zeit des ausufernden Konzipierens, Philosophierens und opulent Innovierens im aktuellen Musikschaffen richtiggehend subversiv.
Die nun vorliegende Doppel-CD mit den 27 Stücken mutet an wie ein schön und liebevoll gestaltetes Musterbuch zeitgenössischen Komponierens. Das Album, eingespielt mit der Pianistin Cory Smythe, steckt voller Überraschungen und verblüffenden, skurrilen, aber auch irritierenden Samples. Wäre Hilary Hahn nicht auf die Idee gekommen, man hätte es sonstwie erfinden müssen.
Noch zu etwas ganz Weltlichem: Wie bezahlt man so etwas? 27 Perlen der zeitgenössischen Musik? Auf typisch amerikanische Art: Das Booklet listet akribisch die Sponsoren der Kompositionen. Keine schlechte Art der Kulturförderung, was immer man vom amerikanischen System der Mäzene und sonstigen privaten Finanzquellen fürs Kulturleben halten will. Hahn hat sich selber zu so etwas wie einer Kuratorin gemacht. Man kann sich ja mal ausmalen, was rausgekommen wäre, hätte eine typische staatlich-europäische Kulturkommission so eine Sammlung aufgegleist. (wb)
Info:
The Hilary Hahn Encores in 27 Pieces, Hilary Hahn (Violin), Cory Smythe (Piano), Deutsche Grammophon/Universal, Best.-Nr. 479 1725