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Nicola Benedetti: eine Schottin in Italien

28.10.2011 — Nicola Benedetti trägt Dolce & Gabbana. Normalerweise wäre hier Schluss der Geschichte. Kleidermarken haben mit dem Wert von Musik herzlich wenig zu tun, und die konsumgetriebene Warenästhetik, die auch von der klassischen Musik immer mehr Besitz zu ergreifen scheint, müsste mehr zu beklagen sein, als dass man ihr in erkenntnisorientierter Musikkritik noch Raum zugestehen sollte. Blöd nur, dass die klassische Musik weltlicher Provenienz schon immer Teil einer selbstdarstellerischen Konsumgesellschaft war, und zudem fügt sich im Falle der schottischen Geigerin mit italienischen Wurzeln alles irgendwie richtig zusammen: Das italienische Flair, die mediterrane Jugendlichkeit, die sie ausstrahlt und der gute Geschmack – auch im Musikalischen.

Zusammen mit dem von Christian Curnyn geleiteten Scottish Chamber Orchestra geizt die Violinistin, die sich auf CD bisher vor allem mit romantischem und britischem Repertoire bemerkbar gemacht hat, nicht mit Spielfreude, klanglicher Kulinarik und einer in sich stimmigen Programmidee, die Konzerte Vivaldis («Grosso Mogul», RV 358 aus «La Cetra», «Sommer» aus den «Vier Jahreszeiten») mit Tartinis «Teufelstriller»-Sonate, einem Largo aus einer Sonate Franceso Veracinis (op.2 Nr. A-Dur) und einer Arie Vivaldis («Vedro con mio diletto» aus der Oper Il Giustino, RV 717) kombiniert.

Undogmatisch und mit sicheren musikalischem Gespür wird da in den reichen Baukasten der interpretatorischen Stilmittel gegriffen, seien sie nun historisch-informierter, romantischer oder moderner Herkunft. Nicola Benedetti pflegt in der Tiefe einen dunklen, sinnlichen und in den langsamen Partien durchaus auch vibratobeseelten Klang versteht es aber, in den Höhen die silberne Klarheit ihrer mit einem Barockbogen gestrichenen Stahlsaiten auch mal zum Zwitschern zu bringen.

Auch Originelles findet sich da. Im Konzert «Grosso Mogul» möchte man gerne die Tempi nachmessen, so organisch-vielfältig scheinen die Schwankungen, was allerdings auch akustische Täuschung sein kann. Im langsamen Satz des «Sommers» scheint die Musik fast stehenzubleiben und in den begleitenden Streichern in flimmernden Flautandis brütende Mittagshitze aufsteigen zu lassen.

Auch in den andern Sätzen treten Benedetti und das Schottische Kammerensemble einmal mehr den Beweis an, wie unerschöpflich reich die Musik des Prete Rosso an Klängen, Effekten, Innenspannungen und Leuchkraft sein kann.

Konzert-Tipp:

Am 8. November kann Nicola Benedetti in der Zürcher Tonhalle auf der Bühne erlebt werden, zusammen mit dem Zürcher Kammerorchester unter der Leitung von Mark Laycock.

Auf dem Programm stehen dabei allerdings nicht barocke Werke, sondern – neben Pēteris Vasks‘ Epifania für Streichorchester und Tschaikowskys Streichsextett d-Moll op. 70, «Souvenir de Florence», in einer Fassung für Streichorchester – ein Mozart-Violinkonzert (A-Dur, KV 219). Neugierig macht die Barock-CD Benedettis da aber vermutlich erst recht. (wb)

Nicola Benedetti: Italia. Werke von Vivaldi, Tartini und Veracini. Scottish Chamber Orchestra, Christian Curnyn (Leitung). Decca/Universal, Best.-Nr. 476 4342.

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