23.05.2014 — Wie Welten aufeinanderprallen. Man könnte sich ja vorstellen, dass Unglaubliches entstanden wäre, hätte das Jahrtausendgenie Wolfgang Amadeus Mozart Werke des Jahrtausendgenies Johann Sebastian Bach bearbeitet. Müsste das nicht eine Potenz der Vollendung ergeben? Vollendete Vollendung, ins Überzeitlose extrapolierte zeitlosigste Zeitlosigkeit, zur allergültigsten Gültigkeit verschmolzene Tonkunst? So ist es aber nicht. Die musikalischen Universen Mozarts und Bachs durchdringen sich nicht, sie sperren sich gegen jegliche Versuche der Deckungsgleichheit und Synergie, mit Blick auf welche Aspekte auch immer.
23.05.2014 — Wie Welten aufeinanderprallen. Man könnte sich ja vorstellen, dass Unglaubliches entstanden wäre, hätte das Jahrtausendgenie Wolfgang Amadeus Mozart Werke des Jahrtausendgenies Johann Sebastian Bach bearbeitet. Müsste das nicht eine Potenz der Vollendung ergeben? Vollendete Vollendung, ins Überzeitlose extrapolierte zeitlosigste Zeitlosigkeit, zur allergültigsten Gültigkeit verschmolzene Tonkunst? So ist es aber nicht. Die musikalischen Universen Mozarts und Bachs durchdringen sich nicht, sie sperren sich gegen jegliche Versuche der Deckungsgleichheit und Synergie, mit Blick auf welche Aspekte auch immer.
Mozarts Adaption von Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier II (WK II) und seine eigenen kontrapunktischen Kreationen unter dem Eindruck des barocken Kompendiums (KV 426, KV 546) lösen denn auch Irritation aus. Die barocke Bibel des gottgefälligen und weltabgewandten Widerscheins einer Musica mundana des Thomaskantors verträgt sich nicht mit den sinnlich-weltlichen Tröstungen klassischer Diesseitigkeit des einstigen Wunderkindes. In keiner Art und Weise.
Die Auseinandersetzungen Mozarts mit Bachs Kontrapunktik (in einer Zeit, in welcher der Thomaskantor in der Öffentlichkeit kaum noch im Bewusstsein war!) gehen auf Besuche im Haus des Baron Gottfried van Swieten zurück, wo auch Beethoven ein- und ausging und dort auf dem Klavier Auszüge aus dem Wohltemperierten Klavier zum besten gab. Mozart hat einigen der Fugen aus dem WK II eigene Einleitungen vorangestellt. Vermutlich waren ihm die originalen Präludien unbekannt. Seine Alternativen gäben ein hübsches vergleichendes Kompositionsseminar: Wie haben zwei Giganten der Musikgeschichte dieselbe Aufgabe individuell gelöst? Aber auch der Rest der Mozartschen Bachbearbeitungen ist im Grunde genommen typische Musician’s Music zum Selbststudium.
Die ästhetischen Unvereinbarkeiten dieser Klangwelten vermag auch ein Ensemble wie die Akademie für Alte Musik Berlin nicht aufzulösen. Sie zeichnet die in sich widersprüchlichen Konstruktionen aber in nicht minder sperrigen, asketischen Klangbildern des kahlen vibratolosen Nonespressivos nach und fügt (respektive fugt…) damit verstörende, beinahe pathologisch anmutende Anomalien in die Idyllen heutiger Barock- und Klassikrezeptionen. Sand im Getriebe. Wie schön. (wb)
Info: Adagios & Fugues, W.A.Mozart after J.S.Bach, Akademie für alte Musik Berlin, CD, Booklet frabz./engl./deutsch, Harmonia Mundi, HMC 902159