Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Was Mozart und Haydn 1782 schrieben

12.02.2011 — Eine CD mit Werken, die alle aus dem Jahr 1782 stammen? Das muss man zuerst verdauen. Das Datum mutet zufällig an. 229 Jahre ist das her, nichts Rundes also. Tatsächlich ist der exakte Zeitpunkt nicht ausschlaggebend. Laut Angaben im Booklet haben der Pianist See Siang Wong und das Musikkollegium Winterthur Klavierkonzerte gesucht, die sich ohne Dirigent spielen lassen, und sie sind dabei auf Mozarts zwölftes und Haydns elftes Werk der Gattung gestossen. Weil beide 1782 entstanden sind, gruppierten sie weitere Stücke darum herum, die ein dem Usus eines Konzertabends der Zeit folgendes Programm ergeben.

Da finden sich dann eben die zwei Konzerte, eine Sinfonie (Haydns 77.) und im Abgang etwas beiläufig ausfasernd drei mozartsche Märsche ((KV 408) und eine gut einminütige Courante aus der Klaviersuite KV 399.

Nun suchen wir neuzeitgestählte Musikkonsumenten ja im Gegensatz zu den hedonistischen Zeitgenossen Mozarts und Haydns immer gerne nach thematischen Klammern oder runden Gesamtaussagen. Ein Motiv zieht sich da durch mehrere Werke: der spielerische Umgang mit Militärmotiven – im dritten Satz des Haydn-Klavierkonzerts (Rondo all’Ungarese), der eigentlich wie Mozarts berühmtes Rondo alla Turca nach einem «Janitscharen-Zug» rufen würde, und in den Mozart-Märschen.

Hochgekocht wird die kriegerische Kraftmeierei auf dieser CD allerdings nicht. Experimente mit Ad-hoc-Effekten als Ersatz für den «Janitscharen-Zug» haben Solist und Orchester für die Aufnahme verworfen, und auch in den Mozart-Märschen wird keineswegs auf die Pauke eingedroschen.

Interpretationen klassischer Werke ohne Dirigenten zeichnen sich naturgemäss nicht durch ausgefallenes Profil oder individualistischen Ausdruckswillen aus. Im Falle des Musikkollegiums Wintherthur sorgt der Konzertmeister Willi Zimmermann aber für Ordnung.

Das Ensemble überzeugt mit Präzision, Ausgewogenheit, Spielfreude und Musikantik und beweist, dass solche Projekte mit einem wendigen und gut eingespielten Ensemble überzeugender realisiert werden können als mit einem traditionellen Sinfonieorchester, wie es die japanische Pianistin Mitsuko Uchida zur Zeit mit amerikanischen A-Orchestern durchexerziert.

See Siang Wong scheint dem Stichjahr 1782 mit einer Art Sturm-und Drang-Attitüde Reverenz zu erweisen. Man wird den Eindruck nie los, er möchte hurtiger vorwärtsdrängen als das Orchester, und so wirkt vor allem sein Haydn auf hohem Niveau in den Achtelpulsen manchmal etwas atemlos bis ungeduldig-nervös.

Zum Konzert des Mozart-Lehrers steuert er fast etwas romantisierende, zur Attitüde des individualistischen Vorwärtdrangs stimmige eigene Kadenzen bei. Das Orchester wiederum bietet sicheren Halt und setzt mit einem auffällig gemächlich angegangenen zweiten Satz des Mozartkonzertes gar einen abgeklärten Kontrapunkt. (wb)

«Mozart & Haydn 1782»: Joseph Haydn: 11. Klavierkonzert D-Dur, Sinfonie Nr. 77 D-Dur; Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert Nr. 12 A-Dur, KV 414, drei Märsche KV 408, Courante aus der Klaviersuite KV 399. Musikkollegium Winterthur, Willi Zimmermann (Leitung), See Siang Wong (Klavier), Decca/Universal, Best.-Nr. 476 418 3

Schreibe einen Kommentar