05.11.2010 — «Wenn wir Money Jungle spielen, müsst ihr euch eine Metropole vorstellen, mit Wolkenkratzern wie Baumstämme und aus allen Fenstern und Türen quellen Massen von Geld, und ihr seid mittendrin in diesem Dschungel.» Etwa so motivierte Duke Ellington 1962 den Bassisten Charlie Mingus und den Schlagzeuger Max Roach bei der Einspielung des Albums «Money Jungle». Es ist in die Jazzgeschichte eingegangen, obwohl Mingus gerüchtehalber ziemlich gereizt über den Schlagzeuger hergefallen sein soll, der ihm gegen seinen Strich (respektive sein Plucking) spielte und alles schnell gehen musste.
Das Album macht denn auch einen harten, grossstädtisch-hektischen, teils zerrissenen und rauhen Eindruck, mit viel Ad-hoc-Blues-Elementen. Selbst ein in der frühen Big-Band-Variante pastös und ironisch klingendes «Caravan» – eine der wenigen Nummern, die nicht explizit für das Album entstanden sind – wirkt da hart und unbarmherzig. Ellington haut sich richtiggehend durch die Klavierbässe, als müsste er den galoppierenden Tom-Toms Roachs entgegenhalten.
Der Arrangeur Jörg Achim Keller hat die Trio-Takes, deren Titelnummer so gut zur Bankenkrise passt, für ein grosses Ensemble orchestriert und mit der hr-Bigband der Finanzmetropole Frankfurt eingespielt. Die CD «Money Jungle – Ellington reorchestrated» hat den Deutschen Schallplattenpreis eingeheimst. Völlig zu recht.
Die Transkriptionen verändern die «Money Jungle»-Stücke natürlich. Der rauhe, vibrierende und schimmernd-singende Bass Mingus’ transformiert sich in eine geschmeidige, eher diskrete Grundierung, das Schlagzeug in einen groovenden Schrittmacher, der mit konventionellen Side Sticks und geradem Bebop-Beckenpuls in sauberpoliertem Design geglättete Moderne signalisiert. Die Bläser allerdings fetzen durch die virtuellen Häuserschluchten des ellingtonschen Banknoten-Urwalds, als gälte es, im fiebrigen, nächtlichen Downtown aber auch wirklich nichts zu verpassen. Wer da Soli bläst – allesamt ezellente Individualisten – muss sich vorgekommen sein wie beim Rodeo, wo es gilt, oben zu bleiben auf dem unruhigen und widerspenstigen Tier.
Die Arrangements erheben explizit nicht den Anspruch, den Sound der drei Titanen ihrer Zeit zum zeitgenössischen Big-Band-Spektakel aufzublasen. Auf das Original weisen sie dennoch zurück, indem sie – wie im Booklet erklärt wird – zeigen, dass «der Meister auch in seinem improvisatorischen Handwerk der strukturell denkende Komponist blieb.» (wb)
«Money Jungle. Ellington reorchestrated», hr-Bigband, Leitung: Jörg Achim Keller, hr-music im Vertrieb von Sunny Moon Distribution, Best.-Nr. hrmj 041-09