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Ivan Ilićs The Transcendentalist

Cover CD29.08.2014 — Eine Möglichkeit, auf dem Klavier Transzendenz zu evozieren, in dem Sinne, dass man hinter den physischen Erscheinungen eine andere, metaphysische Welt durchhallen zu hören glaubt: Ein Pedal, das Linien und Klänge so zu verwischen scheint, dass Resonanzen entstehen, Schwebungen, die sich im Notentext nicht, oder zumindest nicht an der Oberfläche finden. Das Pedal scheint denn auch das wichtigste Instrument für das Album «The Transcendentalist» des serbisch-amerikanischen Pianisten Ivan Ilić. Er versucht damit aufzuzeigen, wie die Philosophie Ralph Waldo Emersons via die Werke Alexanders Skrjabins die amerikanische Avantgarde beeinflusste. Ilićs Beleglieferanten sind neben Skrjabin John Cage, Morton Feldman und der junge New Yorker Feldman-Enkelschüler Scott Wollschleger. Wollschleger aus der Schule des Feldmaneleven Nils Vigeland ist ‒ passend zu Skrjabins sinnlichem Kosmos ‒ Syntästhetiker.

 Cover CD29.08.2014 — Eine Möglichkeit, auf dem Klavier Transzendenz zu evozieren, in dem Sinne, dass man hinter den physischen Erscheinungen eine andere, metaphysische Welt durchhallen zu hören glaubt: Ein Pedal, das Linien und Klänge so zu verwischen scheint, dass Resonanzen entstehen, Schwebungen, die sich im Notentext nicht, oder zumindest nicht an der Oberfläche finden. Das Pedal scheint denn auch das wichtigste Instrument für das Album «The Transcendentalist» des serbisch-amerikanischen Pianisten Ivan Ilić. Er versucht damit aufzuzeigen, wie die Philosophie Ralph Waldo Emersons via die Werke Alexanders Skrjabins die amerikanische Avantgarde beeinflusste. Ilićs Beleglieferanten sind neben Skrjabin John Cage, Morton Feldman und der junge New Yorker Feldman-Enkelschüler Scott Wollschleger. Wollschleger aus der Schule des Feldmaneleven Nils Vigeland ist ‒ passend zu Skrjabins sinnlichem Kosmos ‒ Syntästhetiker.

 

Die Musik der hier gruppierten Tonschöpfer aus der Neuen Welt ist fliessend, melodisch eher konturarm, antivirtuos, reflektiert und nicht vordergründig expressiv. Wollschlegers Beitrag kann dabei als anregendes Rätsel oder als philosophische Irritation gelesen werden: Sie trägt ausgerechnet den Titel «Music Without Metaphor» und behauptet so nämlich kurzum das Gegenteil dessen, was als einzige Deutungsform auf Transzendentales in der Musik verweisen könnte: Nämlich eben das Stehen von akustisch wahrnehmbaren Schemata für jenseits der Welt der Erscheinungen Befindliches, wie es der Unitarier Emerson unter anderem in der Natur zu entdecken glaubte. Man spielt (darauf weist der Notenausriss im Booklet hin) Wollschlegers Stück mit konstant gedrücktem Pedal.

 

Auch Cages «Dream» spielt explizit mit Resonanzen und Frequenzzwischenräumen. So ist es konsequent, dass Ilić auch Skrjabins Musik reich pedaliert, sicherlich mit System. Alles verfliesst, könnte man den griechischen Metaphysiker Heraklit paraphrasieren. Auch die Musik des späten Feldmans schuldet nach Ansicht Ilićs Skrjabin einiges. Der generöse Einsatz des Pedals eben, der die Klänge verwischt, und eine lyrisch-abstrakte Ästhetik.

 

Ivan Ilić hat (laut Wikipedia) an der University of California Mathematik und Musik studiert und seine Studien am San Francisco Conservatory of Music, am Conservatoire Supérieur de Paris und an der Pariser École Normale de Musique fortgeführt. Er hat sich dem breiteren Publikum bisher vor allem mit Einspielungen der Musik Debussys empfohlen. In seinen Solovorträgen interpretiert er unter anderem aber auch Musik von Dmitri Tymoczko, einem der führenden amerikanischen Theoretiker der mathematischen Beschreibung von Musik («A Geometry of Music»). Ilićs Album «The Transcendentalist» liegt mit seiner antivirtuosen, langsamen, versöhnlichen und leisen Art und seiner im 21. Jahrhundert etwas retardiert anmutenden Metaphysik ausgesprochen quer in der Tonträgerlandschaft und hat damit paradoxerweise schon fast wieder etwas Provokatives. Metaphorisch gesprochen.     

Infos:
Ivan Ilić: The Transcendentalist. Heresy Records/Naxos 2014, Heresy 015. www.heresyrecords.com  

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