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Tschaikowsky und Liszt mit Alice Sara Ott

24.09.2010 — Die junge japanisch-deutsche Pianistin Alice Sara Ott hat sich mit ihrem Debüt-Album bei der Deutschen Grammophon ja nicht gerade in Bescheidenheit geübt: Statt eine wohlanständige Gesellinnen- oder Meisterprüfung abzulegen, hat sie schon mal die Überklasse vorgezogen: Liszts «Etudes d’exécution transcendante». Die tönen zwar ziemlich krank, zehren dafür aber von einer Art absonderlichem Charme des Exzessiven und sind deshalb auch musikalisch nicht uninteressant.

Nach einem überzeugenden enzyklopädischen Zweitalbum mit allen Chopin-Walzern macht Ott nun einen ersten Ausflug ins besonders populäre Orchesterfach und tauscht dazu den feinen Tuschpinsel gegen den breiten Farbroller: Zu einer Live-Aufnahme des ersten Klavierkonzertes von Tschaikowsky aus der Münchner Philharmonie im Gasteig gesellt sie Liszts erstes Werk der Gattung; beide Mal wird sie von den Münchner Philharmonikern unter Thomas Hengelbrock sekundiert.

Das Programm ist ästhetisch zunächst einmal ein Abstieg. Da gibt’s viel Blech, viel Pathos, viele doppelhändige Arpeggien die Tasten rauf und runter und doch sehr banales melodisches Material, aus dem sich kaum blühende Formenlandschaften hauen lassen – zumindest bei Tschaikowskys grosser Donnerkiste nicht. Man kann daraus dennoch einen spannenden Konzertabend basteln.

Dazu braucht es allerdings ein gewisses Mass an kaschierter Theatralik, und die ist nicht Alice Sara Otts Ding, was ja eher für als gegen sie als ernsthafte Künstlerin spricht. Das Liszt-Tschaikowsky-Konzerte-Programm zielt offensichtlich darauf ab, die vielversprechende Künstlerin auch dem grösseren Publikum ins Bewusstsein zu bringen, das mit hoffnungsvollen jungen Pianistinnen zur Zeit nicht gerade unterversorgt ist.

Man hört der Einspielung die Problematik der Werkwahl an. Sie schwankt zwischen transparenter Feinzeichnung, die die Dürftigkeit des musikalischen Materials eher herausstreicht als kompensiert, und knalliger Effektästhetik. Allerdings hat auch die ihren Reiz, etwa wenn der einleitende Paukenschlag zum dritten Satz des Tschaikowsky-Konzertes wie ein Pistolenschuss das grosse Trabrennen freigibt.

Der eher gemächliche Einstieg ins Konzert, der exzellente Bläser mit einer schwerfällig anmutenden Überbetonung des Akzentes auf dem ersten Schlag kombiniert, dürfte der Live-Situation zuzurechnen sein, in der sich Solistin und Orchester möglicherweise zunächst finden mussten.

Auch wenn die Akteure mit der CD den beiden schon oft abgenudelten Virtuosenkonzerten kaum neue Seiten abgewinnen: musikantisch-unterhaltsam und intelligent wird da durchaus ans Werk gegangen. (wb)

Alice Sara Ott: Tchaikovsky Liszt First Piano Concertos, Münchner Philharmoniker, Thomas Hengelbrock. Deutsche Grammophon/Universal, Best.-Nr. 477 8779.

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