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Reverenz Abbados an Pergolesi

14.09.2009 — Die in weitem Atem aufblühende hochdramatische Melodik aus Ganz- und Halbtonreibungen ruft Erinnerungen an den Beginn von Bachs Johannespassion wach. Dem Stabat Mater und dem Salve Regina Pergolesis, die im gleichen Gestus einsetzen, fehlt allerdings die pietistische Schwermut des Thomaskantors. Pergolesi, dessen Geburtstag sich 2010 zum 300. Mal jährt, taucht die lateinischen Kirchentexte in ein transparentes, sinnliches Klanglicht, was ihm zu seiner Zeit prompt den Vorwurf der unkirchlichen Theatralik eingetragen hat.
Dennoch wurde das Stabat Mater gerade auch in den evangelikalen Kirchen Deutschland sehr populär, dort erklang es als Vertonung eines Textes des empfindsamen Friedrich Gottlieb Klopstock.
Dem nach seinem Tod als Modernist gehandelten neapolitanischen Tonschöpfer setzt mit dem Bologneser Orchestra Mozart in den kommenden Monaten kein geringerer als Claudio Abbado mit drei CD ein Denkmal. Von der Trilogie ist vorerst die erste Silberscheibe greifbar, auf der sich neben dem Stabat Mater, das Pergolesi aufgrund einer Tuberkulose bereits vom Tod gezeichnet, vermutlich als letztes zu Papier gebracht hat, und dem Salve Regina auch ein B-Dur-Violinkonzert findet. Zur Seite sehen Abbado und dem Orchester dabei der wie gewohnt exzellent aufspielende Geiger Giuliano Carmignola.
Die Reverenz an den italienischen Spätbarock-Meister, der bereits mit 26 Jahren verstarb, soll mit Einspielungen des Dixit Dominus (verfügbar im Januar 2010) und der Messa di San Emidio (verfügbar im März 2010) abgeschlossen werden (unter Mitwirkung des Coro della Radio Svizzera Italiana). Sie dokumentiert ein mehrere Konzerte umfassendes «Progetto Pergolesi» des Orchesters in Zusammenarbeit mit der Accademia Filarmonica di Bologna und der Fondazione Pergolesi Spontini di Jesi. Die jetzt greifbare Einspielung stammt aus dem November 2007.
Die Aufnahme ist ein Glücksfall. Pergolesis tief empfundene, aber gänzlich unaffektierte Emotionalität scheint wie geschaffen für Abbado. Die Sängerinnen – Rachel Harnisch (Sopran), Sara Mingardo (Contralto), Julia Kleiter (Sopran) – folgen nicht der zunehmendn Unmode, den Oratorienstil mit vokalem Überdruck und opernhaften Attitüden zu ruinieren, sondern fügen sich mit Noblesse und souveräner Schlichtheit ins Gesamtbild. Beredtere Fürsprecher hätte der Komponist wohl kaum finden können. (wb)


Giovanni Battista Pergolesi: Stabat Mater, Salve Regina, Violinkonzert. Rachel Harnisch (Sopran), Sara Mingardo (Contralto), Julia Kleiter (Sopran), Giuliano Carmignola (Violine), Orchestra Mozart, Claudio Abbado (Leitung). Deutsche Grammophon Archiv Produktion. DG 477 8077.

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