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Haydn rockt (was das Zeug hält)

21.08.2009 — Haydn-Spirit in schrill sägenden Gitarren-Gewittern? Rotzfreche Halbwüchsige, die sich an Papa Haydns Musik abarbeiten, als gälte es, die Paukenschlag-Sinfonie zum autonomen Jugendzentrum umzusprayen? Das verdankt sich einem ziemlich schrägen Projekt der Festspiele Eisenstadt zum Haydnjahr 2009. «Die lebensbejahende und positive Musik Haydns ist prädestiniert als Ausgangspunkt zeitgenössischen jungen Musikschaffens und Musikerlebens», zitiert eine Presseaussendung dazu Walter Reicher, den Intendanten der Festspiele, der das Projekt «Haydn rockt!» initiiert hat, und man weiss nicht recht, ob ihm das tatsächlich ernst ist, oder ob da bloss österreichischer Hang zum skurrilen Witz durchschimmert.

«Lebensbejahend und positiv» sind nun wirklich nicht gerade die Attribute adoleszenter Artikulation. Die ist in der Regel vielmehr von der Beunruhigung über die Fragilität der menschlichen Existenz und tiefer Skepsis gegenüber allzu simpel gestrickter Lebenszuversicht getränkt. Hört man sich an, zu was die neun Nachwuchs-Bands von Haydns Musik inspiriert worden sind, erhält man denn auch eher den Eindruck, da machten sich einige aus ironischer Distanz hinter dem Rücken des Mozart-Lehrers lustig über die Pauker dieser Welt.

Zu glauben, Haydns Masshalten sei so etwas wie die Antithese zu jugendlichen Protestritualen und Ausbruchsversuchen, wäre allerdings ein genauso naiver Irrtum. Schon die Vorstellung, jugendliche Protestkultur entstehe aus der Ablehnung und der Verspottung intellektueller Hochkultur ist ein Vorurteil. Selbst die ultimative, provozierende Subkultur der Jungen, der Rap, ist die Frucht einer Begegnung der Energie der Strasse mit Avantgardezirkeln der New Yorker Mittelschicht, wie ja schon die frühen Popkünstler sich hemmungslos bei den Ikonen der bürgerlichen Musikkultur bedienten und Gruppen wie «Trio» sich von intellektuellen Strömungen wie dem Dadaismus inspirieren liessen. Die Beatles, die auch schon mal ein Streichquartett ins Studio baten und zu Lieblingen des intellektuellen Mittelstandes avancierten, entstammen proletarischen Milieus, wohingegen die scheinbare Authentizität von Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll der Rolling Stones das Produkt geschäftstüchtiger Herrensöhnchen darstellt.

Man darf auf der einen Seite den «Haydn rockt!»-Initiatoren Mut attestieren. Das Resultat ist nun wirklich alles andere als mehrheitsfähig weichgespülte Pennälerkultur. Haben sich die österreichischen Jugendbands mit Namen wie «Funky Chameleons», «Montezuma», «HOG meets FROG» oder «Last Wagon» sich auf der andern aber auch auf das Phänomen Haydn und die Versatzstücke aus bürgerlichem Selbstverständnis und historischen Topoi, die mit ihm verbunden sind, eingelassen?

Beim ersten Hinhören dröhnt’s einfach mal in den Ohren. Beim zweiten fällt zunächst auf, dass da aus Fetzen von Haydnmelodien verblüffend stimmige Licks für hochfrequente Gitarrensoli gebastelt worden sind, und sich – HOG meets FROG sei Dank – die absonderliche Geschichte um die posthume Enthauptung Haydns als Motiv für jugendliche Satire aufgedrängt hat. Auf einen poetischen Text wie «Und es ist Musik in Ewigkeit/Sein Geschenk an diesen Erdenkreis» wird der Haydn-Stoff der Schöpfung zum kreischenden Alternative-Gehämmer, und die Kaiserhymne mutiert zur lärmig-nervösen Klang-Collage zwischen Headbanger und Human Beat Box.

Die CD ist wahrlich nichts für schwache Nerven. Zum Glück. Das Projekt unbedingt zur Nachahmung empfohlen.(wb)

Haydn rockt!, Projekt der Haydn Festspiele Eisenstadt, Musik der österreichischen Musikbands Dedicated to, Funky Chameleons, Wroth, limetree, Montezuma, HOG meets FROG, Maltz, Manta Ray und Last Wagon.
Bezugsnachweis: www.haydnrockt.at

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