03.04.2009 — Als Hauptdarsteller des mehrfach preisgekrönten Films «Vitus» ist der junge Pianist Teo Gheorghiu populär geworden; dass nun diese Rolle das erste ist, was dem Publikum zu seiner Person einfällt (auch dieser Text beginnt ja zum Wecken der Aufmerksamkeit exakt mit dieser Tatsache), empfindet er als Belastung. Er sei nicht Vitus, beeilt er sich in Interviews und im Booklet seiner Erstlings-CD zu versichern. Den Gesetzen des Marktes kann aber natürlich auch er nicht entrinnen, und so hat er als erstes konsequenterweise Schumanns Klavierkonzert eingespielt – eben dasjenige Werk, mit dem «Vitus» endet, und mit dem er seinem Publikum gibt, was dieses von ihm erwartet.
Darin liegt nun natürlich nichts Ehrenrühriges, es zeigt aber, dass der an der Londoner Purcell School noch in der Ausbildung steckende Künstler Gheorghiu die Kunstfigur Vitus durchaus noch braucht, um aus der Fülle junger Nachwuchstalente herauszuragen. Mehr noch: Das Schumann-Werk kombiniert er mit Beethovens drittem Klavierkonzert, und damit riskiert er überdies den Vergleich mit einer Unzahl von Aufnahmen gestandener Kolleginnen und Kollegen.
Dennoch sind Werkwahl und Aufnahme bemerkenswert, und dies gleich aus mehreren Gründen. Zum ersten wirkt die Auswahl zwar recht konventionell und risikofern. Gheorghiu kann aber mit Blick auf das Repertoire mit einer Besonderheit aufwarten: Den ersten Satz des Beethoven-Werkes beendet er nämlich nicht mit der Original-Kadenz des Bonner Meisters, sondern mit einer Komplettierung und Erweiterung aus der Feder Ferrucio Busonis. Aufmerksam gemacht auf die Existenz dieser Alternative hat ihn der Pianist Jörg Demus, mit dem er in Japan Brahms «Ungarische Tänze» spielte. Einem Nicht-Pianisten wird die Busoni-Variante kaum auffallen, für mit dem Werk Vertraute bietet sie aber eine interessante Höralternative.
Zum zweiten ist das Interpretationskonzept, das der Kombination der beiden Konzerte zugrundezuliegen scheint, vielschichtiger als man im ersten Moment vermuten würde. Zwar gibt sich Gheorghiu überzeugt, dass Beethoven mit dem dritten Klavierkonzert eine neue Ära eingeläutet und den Boden für Schumanns einziges Werk der Gattung bereitet hat. Interessanterweise wirkt die Wiedergabe durch Gheorghiu und das Musikkollegium Winterthur unter der Leitung von Douglas Boyd aber überaus klassisch: zurückhaltend-ausgewogen, luzid koloriert und transparent.
Da ist nichts zu spüren von der Leidenschaftlichkeit, die ein E.-T.-A.-Hoffmann-Zitat zu Beethovens aufgewühltem Seelenleben im Booklet suggeriert, ganz im Gegenteil; das «Allegro con brio» des ersten Satzes gehen Solist und Orchester so geruhsam und fein ziseliert an, dass es mehr nach einem Andantino Mozarts als nach Sturm und Drang tönt.
Romantisches – träumerischer Ausprägung – leuchtet vor allem im lyrischen zweiten Satz auf. Alles zueinanderzufügen scheint sich deshalb, wenn man die Schumann-Beethoven-Kombination als Reverenz an Schumanns literarische Kunstfiguren Florestan und Eusebius deutet, wobei man Schumanns eigener Musik die Rolle des dunklen, impulsiven und verneinenden Florestan und derjenigen Beethovens etwas entgegen ihrem Eigencharakter dem hellen, ausgeglichenen und bejahenden Eusebius zugeeignet vorstellt.
Zum dritten ist es darüber hinaus interessant zur Kenntnis zu nehmen, wie sich die künftige Entwicklung des Winterthurer Musikkollegiums anhören könnte, wird Douglas Boyd doch mit der kommenden Saison zu dessen Chefdirigenten avancieren. Da scheint sich einiges abzuzeichnen. Boyd scheint einerseits Wert auf exakte Feinzeichung in den Details und der Tiefenschärfe des Orchestersatzes zu legen. Auf der andern scheut er weder klare Konturen noch ausgeprägte Akzente. Und er scheint die Register des Ensembles zur Profilierung im Dienste des Ganzen zu ermutigen.
So lassen etwa die Celli im langsamen Satz des Schumann-Konzertes aufhorchen, und die Holzbläser scheuen im dritten Satz des Beethoven-Pendants (zu Recht) nicht vor schrillen Farbtupfern zurück. Schön ist aber auch, zu merken, wie sehr Orchester und Solist zu einer Einheit zu finden vermögen. (wb)
Teo Gheorghiu: Schumann/Beethoven Piano Concertos, Musikkollegium Winterthur, Douglas Boyd (Leitung). aufgenommen im November 2008 im Stadthaus Winterthur. Deutsche Grammphon 476 6824 GH