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Blechacz spielt klassische Klaviersonaten

12.12.2008 — Rafal Blechacz hat 2005 den renommierten Warschauer Chopin-Wettbewerb gewonnen, ist im Jahr darauf von der Deutschen Grammophon exklusiv unter Vertrag genommen worden und hat zunächst − naheliegenderweise − eine CD mit Chopin-Werken eingespielt, nämlich sämtliche Préludes des polnischen Nationalkomponisten. Nun schiebt er ein Album mit drei repräsentativen Klaviersonaten der Wiener Klassik nach. Dies erscheint wie ein Kontrastprogramm zu den romantischen Charakterstücken, aber auch nur im ersten Moment. Denn mit der Einspielung von Haydns Sonate Es-Dur Hob. XVI:52, Mozarts Sonate D-dur KV 311 und Beethovens A-dur-Sonate op.2 Nr. 2 macht sich der Pianist im Grunde genommen auf Spurensuche, hin zu den Wurzeln des chopinschen Klangkosmos, ist dieser doch nicht zuletzt Frucht einer intensiven Auseinandersetzung des reisenden Virtuosen mit der Klaviermusik der 18. Jahrhunderts.

Dabei gilt es zunächst einmal, vom geschmeidigen und intimen Ton der Walzer, Nocturnes und Préludes für den bürgerlichen Salon zu abstrahieren. Die Klangwirkung der klassischen Sonaten ist vielmehr geprägt von reicher, kantiger und wohlkonturierter Farbigkeit. Dies lege − so Blechacz im Booklet zur CD − nahe, die Werke «im Geist zu ‚orchestrieren’», um sich Klarheit über Artikulation, Pedalgebrauch oder Klangfarbe zu verschaffen. Nach dem Durchspielen einer «imaginären Instrumentierung» seien interpretatorische Zweifel meist ausgeräumt. Dann wisse er, welche Passagen mit «warmem Celloklang», welche als Klarinettenimitationen, welche als Fagottlinien und so weiter zu spielen seien.

Ein interessanter Ansatz. Wie weit er sich in den Interpretationen Blechaczs für den Hörer bemerkbar niederschlägt, mag offen bleiben. Aber auch ohne die Rückversicherung im inneren Klang, der dem Pianisten als Wegweiser durch die Allegros, Adagios und Rondos dient, macht Blechacz Hospitanz in der Wiener Schule einen schlüssigen, textgerechten und wohlausgewogenen Eindruck. Der Chopin-Preisträger wahrt das klassische Mass und verfällt selbst im Fall des beethovenschen «Largo appassionato» nicht dem Pathos. Vielmehr findet er mit fast nüchternem Zugang immer mehr in eine Emphase, die den Gefühlsausdruck der Musik umso zwingender Konturen annehmen lässt.

Konsequent ist, wie Blechacz diesen emotionalsten aller Sätze gemäss seiner Doktrin selber umschreibt: «Der Marsch zu Beginn mit seiner Andeutung von Hörnern und Pizzicato-Bässen kommt in würdevoller Breite daher. Das Thema erklingt später mit orgelähnlicher Klangfülle in Moll». In diesem Fall ist es durchaus interessant, sich seine Interpretation auf diese Charakterisierungen hin anzuhören. (wb)

Rafal Blechacz: Sonatas, Joseph Haydn: Sonate Es-Dur Hob. XVI:52: Wolfgang Amadeus Mozart: Sonate D-dur KV 311, Ludwig van Beethoven: A-dur-Sonate op.2 Nr. 2. Deutsche Grammophon 477 7453, Hamburg 2008.

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