07.09.2007 — Der soziale Kosmos von Theater und Orchester wird immer mal wieder als Steinbruch für gesellschaftliche Parabeln genutzt. Eine spezielle Anziehungskraft auf Literaten übt dabei zwar auch der Dirigent als Archetyp des Führers aus – etwa in Fellinis Film «Prova d’Orchestra» aus dem Jahr 1979. Vor allem aber scheinen die eher zudienenden Funktionen Schriftsteller und Liedermacher zu Grotesken und Gleichnissen zu inspirieren. Man erinnert sich in selektiver Art an André Hellers Chanson «Der Souffleur» (1976) oder Gardi Hutters weibliches Pendant aus dem Jahr 2003. Der Schweizer Schriftsteller Hermann Burger wiederum setzte 1979 mit einem Theaterstück dem Orchesterdiener ein Denkmal.
Patrick Süskind hat sich mit seinem Einpersonenstück «Der Kontrabass» 1980 einem zwar nicht stillen, aber angeblich wenig wahrgenommenen Schaffer an der Basis des Orchesters angenommen und damit den Grundstein zu seinem Welterfolg gelegt. Wie die andern Beispiele handelt es vom leicht verbitterten Angestellten weit unten in der Hackordnung – überzeugt davon, dass der Laden ohne ihn nicht laufen würde, aber dennoch zu unsicher, als dass er aus der selber sehr eng abgesteckten Lebenswelt ausbrechen könnte.
Ein Vierteljahrhundert nach seiner Entstehung wirkt das Stück etwas angestaubt – nicht zuletzt, weil moderne Orchester nicht mehr unbedingt für straffe hierarchische Strukturen, Sehnsucht nach den guten alten Zeiten und menschliche Hilflosigkeiten stehen, sondern eher ein dynamisches und unternehmerisches Bild vermitteln (wie weit dies auch nach innen reformerisch ausstrahlt, dürfte allerdings von Ensemble zu Ensemble unterschiedlich sein). Dennoch ist der Text auch heute noch unterhaltsam – und durchaus lehrreich, breitet er doch immer wieder gut informierte Details aus der Geschichte des Instrumentes aus. Daneben gefällt er ganz einfach mit unterhaltsamer Prosa.
Dem Diogenes-Verlag bleibt das Verdienst, den «Kontrabass» in Form eines Hörbuches verfügbar zu machen, und zwar in einer mittlerweile bereits als historisch zu bezeichnenden Aufnahme aus dem Jahr 1981. 1980 wurde das Stück von Nikolaus Paryla im Cuvilliés-Theater in München uraufgeführt, in dem Diogenes-Hörbuch, das eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks verwertet, liest der Schauspieler Walter Schmidinger den Text. Während der 59 Minuten dauernden Lesung wird in illustrativer Absicht tatsächlich hie und da zum Kontrabass gegriffen, auch Strassenlärm dringt einmal in die Stube des deklamierenden Musikers, und weitere Details schaffen eine authentische akustische Kulisse. Ansonsten lebt die Einspielung aber ganz und gar vom gestalterischen Können Schmidingers, und das ist nun wirklich nicht als gering zu bezeichnen. (wb)
Patrick Süskind: Der Kontrabass, Hörspiel mit Walter Schmdinger, Regie Friedhelm Ortmann, eine Produktion des WDR, Diogenes Hörbuch. Mit Illustrationen von Sempé, Zürich 2007.