Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Highlights aus Bachs Passion nach Johannes

23.03.2007 — Highlights einer Passion? Die Reader’s-Digest-Fassung der Johannes-Passion, die das Stuttgarter Label Hänssler Classic auf den Markt gebracht hat, mutet im ersten Moment doch eher frivol an. Dem Musikliebhaber mit Zugang zur christlichen Gedankenwelt kann die Vertonung der Passionsgeschichte kaum im Schnelldurchlauf der «schönsten Arien und Chöre» angedient werden, wie einem Opernbliebhaber eine Kompilation der «bewegendsten Momente» aus dem Opernrepertoire. Und tatsächlich schluckt man zunächst einmal leer, wenn nach dem hochdramatischen Eröffnungschorus «Herr, unser Herrscher» locker über den Judas-Verrat hinweggegangen und direkt eingebogen wird zum von schmeichelnden Flötentönen umrankten Choral «Dein Will gescheh, Herr Gott, zugleich».

Von den insgesamt 40 Nummern der Passion bleiben auf der Silberscheibe 18 übrig. Dabei fallen einige Chöre sowie praktisch alle Rezitative – und damit die erzählerischen Elemente – des Werks aussen vor. Bloss die Arie «Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten» wird mit dem kurzen Rezitativ des Evangelisten eingeleitet, und auch die eigentliche Schlüsselszene, der Tod Jesu, hat als Rezitativ des Evangelisten und der Jesus-Worte «Mich dürstet!» und «Es ist vollbracht!» Eingang gefunden. Die Arien wiederum sind bis auf ein Arioso («Betrachte, meine Seel, mit ängstlichem Vergnügen») vollständig vorhanden, womit die Kompilation in erster Linie zu einer Reverenz an den barocken Oratorien-Sologesang wird.

Verteidigen kann man das Unternehmen mit dem Hinweis darauf, dass Bach die Johannespassion im Gegensatz zur erratischen Matthäuspassion mehrfach umgestaltet und immer wieder Rezitative und Arien ausgewechselt hat. Auch die integralen Aufführungen unserer Zeit sind in der Regel Kompromisse, respektive Mischungen aus den verschiedenen Fassungen des Werkes.

Die Sänger der vorliegenden Aufnahme, die ursprünglich 1996 in der Stadthalle Sindelfingen mit dem Bach-Collegium und der Gächinger Kantorei Stuttgart unter der Leitung von Helmut Rilling realisiert worden ist, bleiben der pietistischen Melodieninnigkeit Bachs überdies kaum etwas schuldig. Sie sind Neugierigen, die sich in die Klangwelten der barocken Passionsvertonungen einhören wollen, gültige und überzeugende Führer. Es handelt sich unter anderem um den Tenor Michael Schade (Evangelist), den Bass Matthias Goerne (Christus), die Sopranistin Juliane Banse und die Altistin Ingeborg Danz. (wb)

Johann Sebastian Bach: Johannes-Passion Highlights, Gächinger Kantorei, Bach-Collegium Stuttgart, Helmuth Rilling (Leitung), Hänssler Classic, 98.288.

Schreibe einen Kommentar