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Thomas Quasthoffs Jazzalbum

23.02.2007 — Wenn Künstler aus der klassischen Musik Ausflüge in den Jazz unternehmen, ist häufig Skepsis oder gar Misstrauen angesagt. Die Vermutung, es könne sich um kalkulierte Selbstvermarktung handeln, wird unvermeidlich wach. Das «Jazzalbum», das der Bassbariton Thomas Quasthoff in Zusammenarbeit mit dem deutschen Trompeter Till Brönner vorlegt, zerstreut derartige Bedenken jedoch schnell. Das unaffektierte und von der Songauswahl sehr persönlich angelegte Album wirkt authentisch und in keiner Art anbiedernd.

Die Auswahl der Songs umfasst unter anderem Klassiker von Gershwin («There’s A Boat That’s Leavin’», «They All Laughed»), Stevie Wonder («You And I»), Loewe («I’ve Grown Accostumed To Her Face»), Rodgers («My Funny Valentine») und Ellington («In My Solitude») sowie die deutsche Nummer «Eins und eins, das macht zwei» von Charlie Niessen, die einer zweiten CD mit deutschen Titeln entstammt.

Dass Till Brönner ohne Abstriche bei der künstlerischen Klasse mehrheitsfähige Musik zu produzieren vermag, hat er auch anderswo schon unter Beweis gestellt. Viel zum Charme der Aufnahmen mit Quasthoff tragen überdies die hervorragenden Big-Band- und Orchester-Arrangements aus den Federn des Pianisten Alan Broadbent und der Dirigentin Nan Schwartz bei, und natürlich die geballte musikantische Spielfreude von Grössen wie dem Drummer Peter Erskine und dem Bassisten Dieter Ilg als zuverlässigem Kern der Rhythm Section sowie dem Deutschen Symphonie Orchester Berlin.

Die Seriosität des Projektes und die brillanten Mitspieler auf dem Set können allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass das Album mit dem vollständigen Titel «The Jazzalbum. Watch What Happens» vor allem eine durchaus sympathische Absichtserklärung des Sängers darstellt. Seiner tiefen, metallisch gefärbten Stimme fehlt die zugleich intime und opulente Sinnlichkeit, die männlichen Jazzsängern in diesem Register in der Regel eigen ist. Quasthoffs doch recht enges Repertoire an jazztypischen individuellen Ausdrucksmitteln – gehaltene Töne belebt er in den meisten Fällen auf vorhersehbare Weise bloss mit einem abschliessenden Vibrato – wirkt bald einmal recht monoton. Und sein akademisch korrektes, in den Vokalen aber doch etwa hell klingendes Englisch lässt auch nicht unbedingt Club- oder Showbühnen-Atmosphäre aufkommen.

Es kann aber durchaus auch sein, dass die Aufnahmetechnik, welche die Stimme im Vergleich zum orchestralen Hintergrund eher zu nahe und etwas trocken klingen lässt, die Schwächen des Gesangs betont und die zweifelsohne auch vorhandenen Stärken des in seinem angestammten Gebiet sehr wendigen Sängers bricht. Möglicherweise hätten ein paar weibliche Backgroundstimmen diese vokale Einförmigkeit aufzubrechen vermocht.

So oder so macht die hochklassige und originelle Produktion neugerig auf die weitere Entwicklung Quasthoffs fern von Schubert-Liederzyklen und Wagner-Opern. (wb)

Thomas Quasthoff: «The Jazzalbum. Watch What Happens», Produziert von Til Brünner, mit Alan Broadbent, Frank Chastenier, Peter Erskine, Dieter Ilg, Chuck Loeb, Karl Schloz u. a., Deutsche Grammophon 477 6644.

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