12.01.2007 — Wenn eine Musikerin einen solchen Namen trägt, dann stellt sich natürlich sofort die Frage. Um das gleich abzuhaken: Ja, Natasha Korsakova ist mit Nikolaj Rimskij-Korsakov verwandt, wenn auch über mehrere Ecken: Sie ist eine Ururgrossnichte des Komponisten. Weitaus bedeutender jedoch ist die Tatsache, dass sie als Geigerin ihr früh erkanntes Talent buchstäblich in die Hände ihres Grossvaters Boris Korsakov und ihres Vaters Andrej Korsakov, eines früh verstorbenen Violinvirtuosen, legen konnte. Ihr Spiel zeugt damit auch von der tiefen Verwurzelung in der authentischen russischen Virtuosenschule des 20. Jahrhunderts. Ihr Können perfektionierte sie bei Ulf Klausenitzer in Nürnberg und Saschko Gawriloff in Köln.
Mit der CD «Opera Fantasies» bestätigt sie ihre künstlerische Herkunft ebenso, wie sie sich davon emanzipiert: Versammelt sind hier nämlich keineswegs bloss Schaustücke zum Zünden geigerischer Feuerwerke, vielmehr ist eine Tour d’Horizon durch die Kunst der geistreichen Bearbeitung von Opernklassikern angesagt, welche die Nachfahrin eines Tonschöpfers, der selber 15 Opern verfasst hat, mit aller künstlerischer Ernsthaftigkeit begegnet.
Der Bogen reicht dabei von Henri Vieuxtemps klassischer Fantaisie brillante über Themen aus Verdis «Ernani» und Franz Drdlas ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammender Fantasie über Offenbachs «Hoffmanns Erzählungen» bis zur anachronistischen Wiederaufnahme der Bearbeitungstradition durch den 1937 geborenen russischen Geiger Igor Frolov. Ihm verdanken wir eine farbige Konzertfantasie über Gershwins «Porgy and Bess».
In allen klanglichen Farben und Formen schillert auch Castelnuovo-Tedescos überaus witzige Rossini-Fantasie mit Motiven aus «Figaro» und «Der Barbier von Sevilla». Schliesslich finden sich auf der CD eine Fantasie über Verdis «Traviata» aus der Feder des 1897 in Mailand verstorbenen Antonio Bazzini und eine Suite von Bearbeitungen der erwähnten Gershwin-Oper durch Jascha Heifetz. Drdlas und Bazzinis Fantasien sind laut Angaben auf dem CD-Cover erstmals überhaupt auf Tonträger eingespielt worden.
Natasha Korsakova verfügt über ein hoch differenziertes klangliches und gestalterisches Repertoire und zwingt ihr Publikum mit ihrem kompromisslosen Spiel zum aufmerksamen Zuhören, ohne je in anbiedernde Sentimentalitäten zu verfallen. Die St. Petersburger Pianistin Kira Ratner ist der jungen Russin eine kongeniale Partnerin.
Das zugleich disziplinierte und hochsensible Spiel Korsakovas macht neugierig, wie sie ein in einer ähnlichen Virtuosentradition stehendes Stück angehen würde – Ravels «Tzigane». Die beiden müssten ein explosives Duo ergeben, aber im Repertoire scheint die junge Virtuosin das Stück (noch) nicht zu führen. (wb)
Natasha Korsakova (Violine), Kira Ratner (Klavier): Opera Fantasies, Solo SM 101.