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Klassik über Elektro-Beats

Cover Schiller13.09.2013 — Darf man das? Sind das Gegensätze? Club-Musik und Ikonen der klassischen Musik kreuzen? Gibt’s eine ästhetische Notwendigkeit, die beiden Welten zu konfrontieren? Sind solche Produktionen kommerzieller Kalkül? Wenn ja, von wem? Sind das typisch bildungsbürgerliche Fragen? Man stellt sich fast nur Fragen. Da gab’s doch mal das Electric Light Orchestra, das in den 1970er-Jahren Rockmusik mit Klassik verband. Sein Cellist ist 2010 von einem Heuballen erschlagen worden. Und die Gruppe Emerson, Like and Palmer (ELP, tönt fast gleich wie ELO) machte sich etwa zu gleicher Zeit hinter Mussorgskis «Bilder einer Ausstellung». Das war unerhört, unerhört frech und provokativ war’s auch. Aber es war auch ziemlich kreativ.

Ikonen der (unterhaltsamen) Klassik als Versatzstücke zum Chill-outen sind, ja was denn nun? Möglicherweise provokativ, weil sie in einer solchen Selbstverständlichkeit benutzt werden, dass sie sich in nivellierter Beliebigkeit etwa so auflösen, wie ein Kopfschmerz-Brausemittel im Wasserglas nach einem ausgiebigen Rave. Frech ist da nichts mehr, bloss noch cool. Und sehr professionell gemacht.

Schiller hat’s getan, ein deutscher Techno-Star, der in Wirklichkeit Christopher von Deylen heisst. Er hat auch Samples verarbeitet, auf denen Klassikstars wie Hélène Grimaud oder Albrecht Mayer Vier- oder Achttakte-Schnipsel aus Werken wie «Schwanensee» und Saties Gymnopedien spielen. Da bleibt nun tatsächlich bloss noch der Name, denn ob da nun Meyer oder Fritzli Müller ein paar Töne blasen, macht nun wirklich keinen Unterschied.

Auch das Café del Mar, ein bekannter Raver-Club auf Ibiza, hat’s getan, und es tönt (für ungeübte Ohren) in etwa gleich, wie Schillers «Opus»: Kuschelklassik, Reverb-, Delay-, Flanger- und Filter-poliert.

Interessanterweise erinnern die Tracks aber in gewisser Hinsicht an mittelalterliche Musik, respektive die Entdeckung der Mehrstimmigkeit in Kirchenräumen. Auch da berauschten sich die Tonschöpfer an Halleffekten, sphärischen Klängen, Delays (kanonischen Einsätzen) und anderen «neuen Technologien» der Zeit ‒ um ihrer selbst Willen. Und daraus ist mit der Zeit dann die europäische Kunstmusik entstanden. Man muss den Dingen Zeit lassen.

Wir verhehlen nicht, dass die Scheiben recht angenehm anzuhören sind. Aber wie’s halt so ist: es chillt beim einen Ohr rein und beim andern wieder out. Aber das soll, haben wir uns sagen lassen, ja auch der Zweck des Ganzen sein. (wb)

Schiller : Opus. Deutsche Grammophon/Universal, Best.-Nr. 2894791893 6
Café del Mar Classical, Decca/Universal, Cat no 3745271.

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