05.02.2010 — Das Booklet dieser Puccini-CD schmücken die Köpfe des Tenors Placido Domingo, der Sopranistin Violeta Urmana und des Dirigenten Alberto Veronesi. Zu hören sind darauf überdies die Wiener Philharmoniker. Da erwartet man eines dieser üblichen Best-of-Alben («Die schönsten Arien aus Madame Butterfly und Manon Lescaut» oder so ähnlich). Für einmal ist da aber alles ein wenig anders: «Puccini Ritrovato» versammelt Aufnahmen aus dem Grossen Musikvereinssaal in Wien aus dem Jahr 2008, in dem sich der Geburtstag des italienischen Opernschreibers zum 150. Mal jährte. Im Zuge der intensiven Auseinandersetzungen mit dem Werk des Tonschöpfers fanden da auch Alternativ-Versionen von Arien und wenig bekannte Orchesterwerke Beachtung, die hier erstmals allgemein zugänglich sind. Das tönt eher nach trockenem musikwissenschaftlichem Akademismus – eine zweite falsche Fährte.
Was die Titelhelden dieser Silberscheibe sowie Annamaria Dell’Oste (Sopran), Alfredo Nigro (Tenor) und Stefano Secco (Tenor) präsentieren, ist durchwegs erstklassige Musik, die mit Sorgfalt und Engagement interpretiert wird und ein interessantes Licht auf die kreativen Prozesse bei der langjährigen Entwicklung musikalischen Materials wirft.
Den Auftakt macht ein Orchesterpräludium, das der 18-jährige Puccini 1876 noch vor seiner Ausbildung am Mailänder Konservatorium verfasst hat. Ein zweites Instrumentalwerk, ein Adagetto für Kammerorchester (zwischen 1881 und 1883 zu Papier gebracht) folgt etwas später als Zwischenspiel. Ein drittes ist eine Frühfassung (1892) des Vorspiels zu «Edgar», ein viertes das ursprüngliche Vorspiel zum dritten Akt von «Manon Lescaut».
Beim Rest handelt es sich in erster Linie um Erstfassungen von Arien aus den Opern «Madama Butterfly», «La Fanciulla del West» und «Suor Angelica» sowie Umarbeitungen von Stücken aus «La Rondine».
Das Hauptgewicht bildet schon nur längenmässig mit gut zwölf Minuten Spieldauer ein Duett aus der frühen Oper «Edgar», und zwar aus dem bei Umarbeitungen komplett gestrichenen vierten Akt. Interessant ist es nicht zuletzt, weil es Puccini als Steinbruch für Arien in den Opern «Tosca» und «Madama Butterfly» genutzt hat. Zudem bietet sich die Gelegenheit, den Selbstmord Cio-Cio Sans aus «Madama Butterfly» in der Urfassung mitzuerleben, die 1904 in der Uraufführung an der Mailänder Scala erklang. Eine weitere Uraufführung klingt ebenfalls eindrücklich nach: diejenige von «Manon Lescaut» 1893 in Turin, in der Manon in «Sola, perduta, abbandonata» ihr Elend in epischer Breite beklagen kann. Später ist die Nummer gekürzt und zeitweilig sogar ganz gestrichen worden. (wb)
Puccini Ritrovato. Plácido Domingo (Tenor), Violeta Urmana (Sopran), Wiener Staatsopernchor, Wiener Philharmoniker, Alberto Veronesi (Leitung), CD289 477 7455 6, Deutsche Grammophon (Universal).