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Claudio Abbados Luzerner «Fidelio»

10.06.2011 — Die Produktion hat viel Interesse gefunden: «Fidelio» zum Auftakt des Lucerne Festival 2010 mit dem erweiterten Chamber Mahler Orchestra unter der Leitung von Claudio Abbado im Luzerner KKL (Kultur- und Kongresszentrum). Nach wie vor ist das Festival am Vierwaldstättersee ja primär eine Orchesterschau – auf ein Opernhaus wartet es noch immer, und vermutlich auch wieder länger, nachdem sich die Pläne zum Bau einer «Salle Modulable» wegen des Rückzugs der privaten Spender zerschlagen haben. Im KKL kam’s zur halbszenischen Aufführung. Für die Regie sorgte Tatjana Gürbaca, die in Bern Mazeppa und in Luzern Cosi fan tutte auf die Bühne gebracht hat.

Neben der souveränen Orchester- und Dirigentenleistung sowie dem nicht minder überzeugenden, von Erwin Ortner einstudierten Arnold-Schönberg-Chor Wien, beeindruckte die vereinigte Weltpresse nicht zuletzt die sängerische Besetzung. Es sei «ein Ensemble an Vokalsolisten» gewesen, wie man es sich «stimmiger nicht vorstellen könne», schrieb etwa der NZZ-Kritiker. Das Line-up ist tatsächlich beeindruckend: Die Wagner-Sopranistin Nina Stemme als Leonore, Jonas Kaufmann als Florestan, Christof Fischesser in der Rolle des Rocco, Falk Struckmann in derjenigen des Don Pizarro, Rachel Harnisch als Marzelline, Christoph Strehl als Jaquino und Peter Mattei als Don Fernando.

Julia Spinola hörte für die FAZ in Abbados Auffassung des Werkes eine «symphonisch entwickelte Folge innerer Monologe». Alles Opernhafte, der Gestus des Sich-selbst-Behauptens, seien – so Spinola weiter – aufgelöst und zu einer «fein ziselierten, von klaren orchestralen Akzenten und flexiblen Tempi getragenen, ‚sprechenden’ Impulsivität verflüssigt» worden. Die halbszenische Umsetzung, zu der man sich laut Financial Times bloss sechs Wochen vor der Aufführung entschlossen habe, sei diskutabel, schreibt das Finanzblatt, aber davon kann ja mit der vorliegenden CD abstrahiert werden.

Die Berichterstatterin des britischen Guardian wiederum stellte fest, dass alle Solistinnen und Solisten ausser Kaufmann sich an diskret in der Ausstattung verborgenen Noten als Soufflierhilfen hielten. Auch das kann dem Hörer der Decca-Produktion letztlich herzlich egal sein. Er wird froh sein, einen so aussergewöhnlichen Moment in der Interpretationsgeschichte der einzigen Beethoven-Oper ins heimische Laufwerk schieben zu können. (wb)

Ludwig van Beethoven: Fidelio, Mahler Chamber Orchestra, Claudio Abbado (Leitung), Sänger: Nina Stemme, Jonas Kaufmann, Falk Struckmann, Rachel Harnisch, Christoph Fischesser und andere, Arnold Schönberg Chor Wien, Aufnahme vom Lucerne Festival 2010. Doppel-CD, Booklet mit Libretto, Decca/Universal, Best-Nr. 478 2551

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