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Crossover in Grossformationen

26.04.2013 — Heute geht alles, und das ist auch gut so. Klassik und Jazz, Rock und Pop mischen sich, im Hintergrund halten immer versiertere Grenzgänger die Fäden in der Hand und liefern immer überzeugendere, da handwerklich gekonnte Projekte ab. Was in den Zeiten der Ideologen als Eklektizismus zuerst beschimpft wurde, dann (in der Postmoderne) zum Anything-goes-Chic verklärt wurde, erschliesst heute einfach interessante musikalische Dimensionen.

Der Welschschweizer Pianist Thierry Lang outet sich als genuiner Jazzer, der seinen Horizont in die Klassik ausweitet. Als ihm der Fribourger Chorleiter Jean-Claude Fasel ein Crossover-Projekt mit Jazz- und Klassik-Elementen vorschlug, ging er davon aus, dass das Scharnier beider Stile die Melodie ist. Ein Neue-Musik-Vertreter hätte vermutlich im Spiel mit Mikrotönen, Polyrhythmik und Texturen Schnittstellen gehört. Melodie hat als Konstruktionsprinzip unter den Neutönern nach wie vor den Ruch der Restauration oder gar Reaktion. Für Jazzer gehört sie aber gewissermassen zum Kerngeschäft

Lang hat unter dem Titel «Colors of Time» einen Jahreszeiten-Zyklus für klassischen Chor, Kammerorchester und Jazzquintett (inklusive Sänger) geschrieben. Der Arrangeur Michel Herr hat das Ganze in orchestrale Form gegossen. Das Resultat: Ein Gesamtkunstwerk, das populäre Oratorientradition des 20.Jahrhunderts mit Jazzimprovisationen auf höchstem Niveau vereint. Für letzteres sorgen die Weltklassemusiker David Linx (Gesang), Matthieu Michel (Flügelhorn), André Ceccarelli (Schlagzeug) und der in der Deutschschweiz bestens bekannte Heiri Känzig (Kontrabass).

Für klangsensible Masse sorgen der Accroche-Choeur und das Freiburger Vokalensemble, im Mai 2012 ist das opulente Werk in Fribourgs neuem Konzertsaal Equilibre uraufgeführt worden, im Februar dieses Jahres ist es auch in Romont erklungen. Es ist eine Produktion, die man sich genauso in der Deutschschweiz zu hören wünschte.

Ein anderes, ebenfalls interessantes Amalgam präsentiert die hr-BigBand («The Frankfurt Radio Big Band») zusammen mit den Vokalisten Kate McGarry und Theo Bleckmann und vor allem dem Arrangeur John Hollenbeck, der im Grossformat die Welten von Pop, Singer/Songwriter und Jazz zusammenbringt. Der spektakulärste und bekannteste Titel ist dabei sicherlich «Bicycle Race» von Queen, respektive Freddy Mercury, die ja selber auch die entlegensten Stile zusammengeschweisst haben, man denke nur an die «Bohemian Rhapsody»… Hollenbeck hat unter anderem aber auch Titel von Jimmy Webb und dem Jazzsaxophonisten Ornette Coleman weiterverarbeitet. Da liegt der Akzent naturgemäss auf dem Jazz, die Begegnung scheint aber ebenso geglückt wie im Fall der Welschschweizer (wb)

Thierry Lang featuring David Linx, Colors of Time. Musiques Suisses, MGB CD 6276
Songs I like a lot, John Hollenbeck, Theo Bleckmann, Kate McGarry, Gary Versace and the Frankfurt Radio Big Band, Sunnyside, SSC 1339.

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