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Daniel Hopes Sphärenklänge

29.03.2013 — Neue Einfachheit? Minimal Music? Pärt und die Folgen? Wie dem auch sei, strukturell repetitive und/oder meditative Musik findet heute ihr Publikum, und dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Die radikal reduzierten Klangwelten haben einerseits das Odium von Klangtapeten für New-Age- und Esoterik-Messen, bei denen der Welterklärungsanspruch sich reziprok zur gedanklichen Tiefe verhält; andererseits muten sie noch immer etwas subversiv an, als einfach gebaute Gegenbewegung zur (Über-)Komplexität der Neuen Musik.

Im Grunde genommen ist die scheinbare Einfachheit aber bloss Trug. Denn wenn melodisches Material, Rhythmik und Harmonik schlicht und redundant gestaltet sind, verlegt sich die Höraufmerksamkeit einfach auf anderes, etwa die subtile Durchformung des einzelnen Tones. Wenn dann noch ein Geiger wie Daniel Hope am Werk ist, der sogar das Telefonbuch musikalisch atemraubend rauf- und runterspielen würde, dann werden Warner vor der Banalität der Partituren ruhiggestellt.

Etwas zwiespältig sind die Ausflüge in die Statik der musikalischen Architektur allerdings dennoch, denn je simpler die Klänge, umso bombastischer halt eben auch der metaphysische Anspruch. Auch die jüngsten derartigen Produktionen beschwören der Welten Kosmos, Hope etwa mit seiner CD, die mit «Spheres» die neuplatonische Sphärenharmonie wieder aufleben lässt. Es finden sich denn darauf auch Werke der führenden Minimalisten, Ludovico Einaudi, Phil Glass, Arvo Pärt, Michael Nyman, aber auch Fundstücke aus den Werkstätten Gabriel Faurés, Lera Auerbachs, Johann Sebastian Bachs oder des als Musikclown weitaus bekannteren Aleksey Igudesman. Die Liste ist nicht vollständig.

Aber eben: Wo Hope seine Hände mit im Spiel hat, kommt immer etwas Originelles dabei heraus. Das betrifft auch die gänzlich dem Werk Einaudis gewidmete CD «In a Time Lapse», auf der neben Einaudi selber, etlicher seiner Freunde und eben Hope auch das Orchestra I Virtuosi Italiani mittut. Eine stimmungsvolle, unaufgeregte Silberscheibe für das, was der Nachwuchs neudeutsch als «Chillen» bezeichnen dürfte.

 

Ebenfalls reduziert, aber mit einem Hang zur expressiven Bombastik sind die Kompositionen von Henryk Górecki. Bereits 1981 entstanden ist sein «Miserere», das der Los Angeles Master Chorale in mustergültiger Art neu eingespielt hat. Überlegungen des Chorleiters Grant Gershon im Booklet festigen den Ruf dieser Art von Musik: Da werde ein ganzes Universum an Schmerz und Solidarität erfasst. Górecki sei der Meinung gewesen, «dass man die eigentliche Wahrheit eines Kunstwerks nur erreichen kann, wenn man alles belanglose abwirft.» Das sei dann für alle Beteiligten auch «ein überwältigendes emotionales Erlebnis» geworden, schreibt Gershon.

Ähnlich gestrickt ist Góreckis dritte Sinfonie, die das Danish National Symphony Orchestra unter Leitung John Axelrods, des früheren Chefdirigenten des Luzerner Sinfonieorchesters, mit der Sopranistin Isabel Bayrakdarian neu eingespielt hat. Sie belebt den ansonsten auch statischen dritten Satz des Werkes, der sich einreiht in eine Tradition der mit Gesang abgeschlossenen Sinfonien. Sie reicht damit von Beethoven über Mahler bis eben in die Neuzeit. (wb)

 


Daniel Hope: Spheres, Deutsche Grammophon/Universal, Best.-Nr. 479 0571
Ludovico Einaudi: In a Time Lapse, Decca/Universal, Best.-Nr. 4810173
Górecki: Miserere, Los Angeles Master Chorale, Grant Gershon (Leitung), Decca/Universal, Best.-Nr. 478 3537
Henryk Górecki: Symphony No. 3, Danish National Symphony Orchestra, John Axelrod (Leitung), Isabel Bayrakdarian (Sopran), Sony Music, Best.-Nr. 88697966242

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