08.07.2011 — Vor einigen Jahren wäre es vermutlich noch unvorstellbar gewesen, dass sich Sängerinnen mit Barock-Rezitalen auf CD empfohlen hätten, da hätten es die Heil’gen Hallen Mozarts, der Gral Wagners oder die Schleier Richard Strauss’ sein müssen, hätte ordentlich Staat gemacht werden sollen. Tempi passati, die Diven – man denke an Cecilia Bartoli, Patricia Petibon, Nathalie Stutzmann, Magdalena Kožená oder Simone Kermes – machen heute mit barockem Furor Furore, verströmen mit venezianischem Gleissen Glamour und eilen mit französischem Pomp zum Triumph.
So auch die Amerikanerin Danielle de Niese, deren Name perfekt in barockes Ambiente passt, allerdings eher französisches. Das liegt ihr hier aber nicht am Herzen, auch wenn sie in den Opern Rameaus durchaus auch zuhause ist; vielmehr geht es um «The Beauty of the Baroque», die englische nämlich.
«Barock» legen die Sängerin und The English Concert unter der Leitung Harry Bickets dabei allerdings grosszügig aus: Den Einstieg machen zwei Lieder des Renaissance-Titanen John Dowland, die nur mit etlichen historischen Verbiegungen in frühbarocke Regungen umgedeutet werden könnten. Darauf prallt ziemlich unvermittelt das Larghetto «Ombra mai fu» aus Händels Serse, eine authentische Barock-Ikone; sie wird von der Sopranistin de Niese in der Altfassung vorgetragen. Und schlicht. Ohne das übliche Irrlichtern in vokalen Melismen. Bravo.
Es folgen Nummern aus populären Werken Purcells und Monteverdis und sogar ein Ausflug in das in den letzten Monaten von Claudio Abbado und Anna Netrebko aus der Liebhaber-Nische geholten Stabat Mater Pergolesis. Die Titelnummer singt de Niese hier mit dem Countertenor Andreas Scholl, eine reizvolle und harmonische Kombination, die sich auch in «Pur ti miro» aus Monteverdis L’incoronazione di Poppea und «Io t’abbraccio» aus Händels Rodelinda bewährt.
Für den Schluss des Rezitals macht de Niese schliesslich einen Ausflug in deutsche Lande, mit zwei Nummern aus Bach-Kantaten. The English Concert begleitet die Sängerin routiniert und inspiriert, den Liederreigen hört man sich auch deshalb gerne an. Danielle de Niese muss man als Barock-Interpretin ja nun nicht speziell empfehlen, als solche hat sie sich fraglos durchgesetzt.
Vielleicht wünschte man sich höchstens ab und an noch etwas mehr Differenzierung im Vibrato-Einsatz und vielleicht manchmal auch ein klein wenig mehr Mut zu etwas mehr emotionaler Frechheit. Das ist aber vermutlich bloss Geschmackssache… (wb)
Danielle de Niese: Beauty of the Baroque, The English Concert, Harry Bicket (Leitung), Andreas Scholl (Countertenor), Arien von Dowland, Händel, Purcell, Monteverdi, Pergolesi und Bach, Decca/Universal, Best.-Nr. 478 2260.