02.08.2013 — Die pralle Fülle der hochsommerlichen Lebenslust und Sinnlichkeit ‒ mit der Ahnung, dass dies alles im Herbst der Vergänglichkeit anheimfallen wird. Und dann gibt es da verblüffende Parallelen zwischen dem Jahr 1725, von dem die CD «Una Follia di Napoli» zeugt, und der Jetztzeit: Ein neuer Papst wird gefeiert, vor knapp dreihundert Jahren sinnigerweise ein Benedikt (der XIII.), heute ein Francesco. Und der Markt wird von zahllosen Konservatorien überschwemmt mit erstklassigen Musikern, 1725 genauso wie 2013. Da bildete sich ‒ unter den Augen eines Beobachters aus Deutschland, dem Virtuosen der Flûte traversière Johann Joachim Quantz ‒ eine «Neapolitanische Schule der Musik». 1725 erscheint auch eine Sammlung von 24 Flötenkonzerten verschiedener Komponisten, mit dabei Francesco Mancini, Alessandro Scarlatti, Francesco Barbella, Giovanni Battista Mele, Domenico Sarro und Robert Valentine. Schon mal gehört von all den Herren?
Die Sammlung steht im Zentrum der CD, auf der sie von einem ad-hoc-Ensemble zum Leben erweckt wird. Die Besetzung folgt neueren Trends, den Basso continuo, über dessen konkrete Ausgestaltung zu seiner Zeit sehr wenig überliefert ist, reichhaltig zu drapieren, mit zeitgenössischen, mittelalterlichen und mediterranen Elementen. In diesem Fall sind dies ein Kontrabass, die gambennahen Violetta und Lirone, Cembalo und Orgel, Theorbe, Barockgitarre, Erzlaute und Psalterium. Alleine die Aufzählung sprüht vor Sinnlichkeit.
Auch das titelgebende Stück, die «Follia di Spagna», eine Art «Body and Soul» (der meistaufgenommene Jazz-Standard) der Barockzeit, findet sich auf der CD. Es ist mit gut elf Minuten Spielzeit der gewichtigste Titel. Mit Pachelbels Kanon hat die überaus banale Melodie gemeinsam, dass man sie routiniert plattwalzen oder mit eigenem Spielwitz und frechen Arrangements zum Kabinettstücklein machen kann. Hier wird die «Follia» zur farbenreichen Tour d’horizon durch das Ensemble und zum sprudelnden Brunnen klanglicher Einfälle und gegenseitiger Anstacheleien. Da zeigt sich die profunde Musikalität aller Beteiligten. (wb)
Una Follia di Napoli, Concerti & Sinfonie per flauto anno 1725. Maurice Steger (Blockflöten, Leitung), Harmonia Mundi, HMC 902135.