Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Verachtet mir die Meister nicht

27.05.2011 — Ein kurzer Essay des deutschen «Stimmenpapstes» Jürgen Kestings im Booklet zu dieser CD ist übertitelt mit «Vom vaterländischen Belcanto». Wagner in Verbindung mit Kennzeichungen wie «vaterländische Musik», «heroische Gefühle» und «Heldentum» weckt häufig spezielle Vorstellungen (dabei geht immer mal vergessen, dass auch Arnold Schönberg dem chauvinistischen Zeitgeist seiner Epoche folgend mit seiner Zwölfton-Methode der «deutschen Musik die Vorherrschaft für die nächsten hundert Jahre» zu sichern glaubte).

Das Thema deutscher Gesang hat hier allerdings ein weit nüchterneres Gepräge: Statt ein Fest der Vokale ist das Deutsche nun einmal ein wohlklangresistentes Poltern plumper, knorriger und knarrender Konsonanten, die einer Musik mit «energisch sprechendem Akzent» bedarf. Wagner, der selber Urheber des Wahlspruchs ist, stellte sich eine Symbiose aus «italienischem Gesangwohllaut und dramatisch sinnrichtigem Vortrag» vor.

Plosiv- und Zischlaute, Krächzen und Husten, des Deutschsprachigen liebste Geräusche, stören den Heldentenor-Schmelz weit mehr als den per se sonoren Bass, speziell, wenn sich ein Sänger wie René Pape hinter die Partituren klemmt und vom erfahrenen Wagner-Dirigenten Daniel Barenboim sekundiert wird. Sachs’ «Verachtet mir die Meister nicht» aus den Meistersingern klingt da genauso überzeugend wie Wotans «Loge» (Die Walküre) oder Wolframs «Todesahnung» (Tannhäuser).

Leicht ironisches Vokalisen-Bashing betreibt Pape auch im Gespräch mit Kesting, das sich ebenfalls im Booklet findet. Es gebe auch ein Libretto, das auf Worten basiere, meint er. Dann gibt er auch noch das zu bedenken: Durch die immer höhere Stimmung der Orchester würden die Wagner-Partien für die Sänger zur immer grösseren stimmlichen Herausforderung. «Verachtet mir die Meister nicht» sei ihm aber auch bei der Bewältigung der Partien ein Leitsatz, lerne er doch viel aus dem Studium vorhandener Aufnahmen.

Das Resultat ist das vorliegende Fan-Album. Es ist auch ein Stück gelebte wagnerische Soziologie: Neben der Edelmarke Mercedes haben es Engagements von Baroness Nina von Maltzahn, dem Investor Sid R. Bass dem Siemens-Vorstand Peter Solmssen und der amerikanischen Philanthropin Marina Kellen French möglich gemacht. Eingespielt worden ist es im Juni 2010 im Funkhaus Berlin. «Hört ihr Leut» (Meistersinger) und «Und ich, ich bin’s» (Parsifal) könnte es auch gelabelt sein. Zu Recht. (wb)

René Pape: Wagner. Arien aus Walküre, Meistersinger von Nürnberg, Lohengrin, Parsifal, Tannhäuser. Staatskapelle Berlin, Daniel Barenboim (Leitung), Placido Domingo (Tenor). Deutsche Grammophon/Universal Best.-Nr. 477 6617

Schreibe einen Kommentar