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West-Eastern Divan Orchestra in Salzburg

13.05.2011 — Die neunte von Schönbergs Variationen für Orchester op. 31 ist übertitelt mit «gleiches Tempo (l’istesso tempo), aber etwas langsamer». Die logische Unmöglichkeit könnte auch das West-Eastern Divan Orchestra charakterisieren, welches das Werk als Residenzorchester an den Salzburger Festspielen 2007 vortrug. Das selbstverständlich von Daniel Barenboim, dem Gründer des Orchesters, geleitete Konzert vom 13. August wurde aufgenommen und ist nun auf CD dokumentiert. Der Klangkörper ist einer Vision der Gemeinsamkeit entsprungen, die heute weiter entfernt als je scheint, aber musikalisch zumindest funktioniert: Da konzertieren Israeli, Musiker aus den palästinensischen Gebieten, Ägypter, Jordanier und solche aus weiteren Ländern der Region einträchtig neben- und miteinander.

Der politischen Dimension des Projektes zum Trotz: Die Mitglieder des Orchesters sind zuallerst einmal Jugendliche. Dies zeigt sich in ästhetischen Vorlieben, wie sie auch das Simon-Bolivar-Jugendorchester aus Venezuela charakterisiert: Man liebt den üppigen, saftigen Klang, das grosse romantische Bekenntnis-Repertoire und nicht zuletzt die sinnliche Sinfonik der Russen. Selbst Schönbergs klangseismografische Partitur wird da prall (aber nicht minder präzise und transparent) zum Erklingen gebracht.

Der Referent der «Neuen Musikzeitung» berichtete 2007 davon, dass Tschaikowskys Pathétique als wuchtiges Klangtableau erklungen sei, und Beethovens dritte Leonoren-Ouvertüre (sie findet sich nicht auf der CD) gar als «hämmernd-lauter Parforce-Ritt mit Tendenz zum Marsch».

Ähnlich hörte das der Kritiker der österreichischen Zeitung «Die Presse». Ihm fiel die «schiere Imposanz des Klangs» auf, «vor allem seine im Fortissimo monumentale Bass-Erdung». Letzteres sei nicht zuletzt der Besetzung – unter anderem 18 erste Violinen, 10 Kontrabässe – geschuldet gewesen. Die Venezolaner, die sich in der Regel ebenfalls zahlreich aufs Podium drängen, lassen grüssen.

Das alles lässt sich beim Abhören der CD verifizieren. Und selbst dort, wo es ins Pianissimo geht – in der berühmten Passage im ersten Satz der Pathétique, in der die Klarinette sich sterbend in einem Fagott-Nachklang verhaucht, bevor das Orchester in hartem Schocker-Schnitt so richtig losdonnert – wünschte man sich etwas mehr Geräuschpegelabstand.

Man wird da unbarmherzig daran erinnert, eine Live-Aufnahme ins Laufwerk geschoben zu haben. Trotz allen Einwänden allerdings eine, die man einfach mögen muss – nicht nur als Dokument eines denkwürdigen Auftrittes mit historischen Dimensionen. (wb)

West-Eastern Divan Orchestra, Daniel Barenboim (Leitung). Schönberg: Variationen für Orchester op. 31, Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 6 (Pathétique), Live-Aufnahme von den Salzburger Festspielen 2007, Decca/Universal, Best.-Nr. 478 2719.

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