25.06.2010 — «Als die Musik, das himmlische Mädchen noch jung war, kamen, während sie noch im alten Hellas sang, die Leidenschaften oft vorbei, um ihre Leier zu hören.» So beginnt eine Ode an die Musik des Engländers William Collins (1721-1759). Was folgt ist ein farbenreiches und unterhaltsames Panoptikum der elementaren Emotionen, alsda sind Furcht, Zorn, Verzweiflung, Hoffnung, Rache, Eifersucht, Melancholie, Fröhlichkeit, Freude und der alles ordnenden Vernunft. In Musik umgesetzt hat den Text William Hayes (1708-1777), ein Zeitgenosse Händels. Notiz genommen hat man von sich durchaus: Händels Messias etwa hat Hayes an seiner eigenen Wirkungsstätte Oxford erstmals zur Aufführung gebracht. Hayes ist auch Begründer einer Musikreihe im 1742 erbauten Oxforder Holywell Music Room, den die heute dafür Verantwortlichen als «den ältesten Konzertsaal Europas» bezeichnen. Die von Hayes ins Leben gerufene Konzertreihe gibt’s noch heute.
Auf Hayes’ Partitur zu The Passions stiess der britische Musikwissenschaftler und Dirigent Anthony Rooley in der British Library im Zuge von Recherchen zu dem Komponisten, hinter dem er mehr vermutete als den Händel-Epigonen, für den ihn die britische Musikwelt lange Zeit gehalten hat. Rooley war von der Partitur begeistert. Seinen eigenen Worten im Booklet zu der vorliegenden CD zufolge handelt es sich um «keine sklavische Imitation von Händels Stil». Wenn Händel zitiert werde, dann «mit Absicht und auch mit Humor».
Tatsächlich ist die Ode for Music ein höchst unterhaltsames, originell gesetztes und dramaturgisch schlüssig durchkomponiertes Vokalwerk voller gekonnter Textausschmückungen, vokaler Theatralik und instrumentaler Spiellust. Es könnte genauso populär sein wie Haydns Schöpfung oder ein Händel-Oratorium. Dennoch war es bislang nicht in den Programmen einschlägiger Barockensembles zu finden. Rooley hat es 2003 in Bogotá und 2005 in Basel und Zürich zur Aufführung gebracht. 2007 wurde die Basler Produktion überdies ans Kunstfest Weimar eingeladen.
Nun liegt The Passions mit dem La Cetra Barockorchester Basel, dem Chor der Schola Cantorum Basiliensis, erstklassigen Gesangssolisten aus dessen Reihen und Anthony Rooley am Dirigierpult auf CD vor. Die Produktion ist ein Ereignis. Da stimmt auf allen Ebenen alles, selbst die Details der grafischen Gestaltung von Booklet und Cover zeugen von viel Liebe zur Sache und hoher Geschmacksicherheit.
Ein luftiges, gut durchhörbares Klangbild, ein fein atmendes und sensibel agierendes Orchester und ein homogenes Solistenquintett lassen die Aufmerksamkeit nie erlahmen. Allen voran glänzt die Sopranistin Evelyn Tubb, die laut Angaben im Booklet auch das vokale Coaching der andern Solisten übenommen hat, mit sängerischem Witz, samtener Stimme und stimmiger barocker Verzierungstechnik. Keineswegs ab fallen daneben der Tenor David Munderloh, der Bass Lisandro Abadie, der Countertenor Sumihito Uesugi und die Sopranistin Ulrike Hofbauer. Aufgenommen worden ist die Silberscheibe im Oktober 2008 im Basler Volkshaus. (wb)
William Hayes: The Passions, an Ode for Music (Oxford, 1750). Solistinnen und Solisten sowie Chor der Schola Cantorum Basiliensis, La Cetra Barockorchester Basel, Anthony Rooley (Leitung), Glossa GCD 922501, 1 CD. Digipak, Booklet engl./fr./d./esp. Bezugsnachweis (mit Audioproben):
www.glossamusic.com/glossa/reference.aspx?id=203