Sie gibt gerne noch einen drauf: Rimsky-Korsakows «Hummelflug» spielt sie als Zugabe in der fingerbrechenden Version des Hypervirtuosen Gyorgy Cziffra, Schubert-Lieder in der Turbovariante Franz Liszts, und als Solistin mit Orchester widmet sie sich mit Vorliebe der virtuosen Überklasse des osteuropäischen 20. Jahrhunderts: Prokofiew, Bartók und Rachmaninow. Allerdings macht sie das mit einer Selbstverständlichkeit und Gelassenheit, die nie den Eindruck aufkommen lässt, da wolle ein ehrgeiziges Jungtalent bloss mit seinen technischen Fähigkeiten prahlen.
Für ihre erste CD für die Deutsche Grammophon hat sie allerdings noch Monumente der romantischen Virtuosenliteratur – Sonaten von Chopin und Liszt – eingespielt, mit denen sie sich dem Vergleich mit den Platzhirschen der europäischen Interpretengarde ausgesetzt hat (siehe Codex-flores-Rezension). Da war dann das Argument der allzu jugendlichen Unbekümmertheit im Umgang mit dieser Art Musik nahe, und der Blick auf ihre eigene Persönlichkeit möglicherweise etwas verstellt.
Für die zweite CD hat die chinesische Pianistin nun ein Programm gewählt, das in jeder Hinsicht ideal anmutet: drei Sätze aus Strawinskys «Petruschka» in der Klavierfassung des Komponisten, Brahms’ Variationen über ein Thema von Paganini (in der von Arturo Benedetti Michelangeli vorgeschlagenen Reihenfolge) und die Pianoversion von Ravels «La Valse», jeweils verbunden von Petitessen Scarlattis.
Es umfasst damit Werke, die musikalisch sehr interessant sind, nicht oft eingespielt werden (mit Ausnahme von Ravels «La Valse») und mit der Ausstrahlung Yuja Wangs als Künstlerin vollkommen im Einklang stehen – zumindest ist das der Eindruck, den man als Hörer erhält.
Der Titel der CD («Transformation») und der Text im Booklet verweisen auf ein gemeinsames Motiv. Es gehe um Umwandlungen: Im Strawinsky-Ballett verwandle sich eine Puppe in einen Menschen, Brahms schreibe Variationen zu einem Thema, und Ravel transformiere den Herz- und Tanzbein-bewegenden Wiener Walzer in die gläserne Distanziertheit französischen Esprits. Das ist aber nicht das Wesentliche. Vielmehr zelebriert Yuja Wang hier die Leichtigkeit des orignellen und intelligenten Klaviersatzes der höheren (respektive wirklich hohen) Schwierigkeitsgrade, dem das Titanische und Genialische aber eher abhold ist.
Das macht sie mit Charme und einer Selbstverständlichkeit, von der man sich nur bezaubern lassen kann. Jeglicher exhibitionistischer oder eitler Impetus ist ihr dabei fremd (wie er ihr auch auf dem Konzertpodium abgeht). Möglich, dass sie da den Weg bereitet zu einer neuen Generation chinesischer Hypervirtuosen, die der europäischen Kunstmusik ästhetisch echte neue Impulse zu geben vermögen werden. (wb)
Yuja Wang: Transformation, Werke von Strawinsky (drei Sätze aus «Petruschka»), Scarlatti (Sonaten K380 und K466), Brahms (Variationen über ein Thema von Paganini) und Ravel («La Valse»). Deutsche Grammophon/Universal, Best.-Nr. 477 8795.