11.08.2006 — Spätestens seit sie 1999 den Preis der deutschen Schallplattenkritik gewannen, haben sich die Aufnahmen des Orchesters der Zürcher Tonhalle und seines Dirigenten David Zinman in den Ladenregalen einen Spitzenplatz erobert. Die Auszeichnung erhielt das erfolgreiche Gespann für seine erfrischende und wegweisende Gesamteinspielung der neun Sinfonien Beethovens. Auf den Bonner Meister haben sich die beiden bei ihren Aufnahmetätigkeiten auch in den folgenden Jahren konzentriert. Der Idee von Gesamteinspielungen folgte nach der Aufnahme der Missa Solemnis eine CD mit sämlichen Ouvertüren. Zur Zeit konzentriert man sich an der Limmat auf die Instrumentalkonzerte Beethovens. Neben dem Tripelkonzert ist mittlerweile das Violinkonzert – mit Christian Tetzlaff als Solisten – greifbar, und mit Yefim Bronfman am Klavier sind bereits die Klavierkonzerte 3 und 4 eingespielt worden.
Alle diese Aufnahmen die – für Neueinspielungen absolut ungewöhnlich – zu Dumpingpreisen angeboten werden, sind auf dem Label Arte Nova veröffentlicht worden, das Sony BMG letztes Jahr mit anderen Traditionsmarken wie RCA Red Seal und Harmonia Mundi zu den «Sony BMG Masterworks» zusammengefasst hat. Unter diesem Dach soll das reine Klassikgeschäft konsequent weitergepflegt werden.
Die jüngste Veröffentlichung umfasst neben dem monumentalen 5.Klavierkonzert die formal unkonventionelle Chorfantasie c-Moll op.80 und das Chorwerk «Meeresstille und glückliche Fahrt». Die Gesangspartien werden vom Schweizer Kammerchor übernommen, als Solisten amten Lisa Larsson und Regula Konrad (Sopran), Anja Angelika Kühn (Alt), Tobey Wilson und Paolo Vignoli (Tenor) sowie Jürgen Orelly (Bass) – alle ausser Wilson entstammen den Reihen des Kammerchors. Die Aufnahmen wurden von 2. bis 4. Mai 2005 in der Zürcher Tonhalle unter der Leitung von Chris Hazell realisiert.
Die Zusammenstellung der Werke könnte ungewohnt, ja befremdlich anmuten. Die Kombination hat aber in Beethovens eigenen Konzeptionen ein Vorbild: Die Chorfantasie ist ein Werk für Soloklavier, Orchester und Sänger, das 1808 geschrieben wurde, um einen Konzertmarathon mit der 5. und 6. Sinfonie, Ausschnitten aus der C-Dur-Messe, dem vierten Klavierkonzert und der «Coriolan»-Ouvertüre mit einem angemessenen klanglichen Feuerwerk abzuschliessen. Insofern folgt die CD Programmierungen wie sie zu Beethovens Zeiten durchaus üblich waren.
Die Interpretation des Klavierkonzertes erklärt überdies, weshalb sich Orchester und Dirigent den Ruf herausragender Beethoven-Interpreten erworben haben. Da wird mit vitalem Zugriff und rhythmisch klaren Konturen musiziert, die das Tänzerische und Schroffe der Partitur betonen und den Notentext auch in den Dynamik- und Tempoanweisungen detailgetreu nachzeichnen. Pianist und Orchester finden zu einer wunderbaren Einheit, welche auch die dynamischen Feinheiten des Textes mit seinen zahlreichen Sforzati und Fortissimi hervortreten lässt. Einzig in den Pianissimi verzichtet die scharfe Konturierung darauf, die Extreme zu suchen – die leisen Partien sind eher dem Mezzopiano angeglichen. Scharf herausgearbeitet (und ohne Angst vor klar artikulierten Zischlauten) agieren auch Chor und Solosänger in den weiteren Werken.
Fazit: Kein Beethoven zum Schwelgen und Geniessen, sondern Musik, die Aufmerksamkeit provoziert und Wachheit einfordert. (wb)
Tonhalle Orchester Zürich, David Zinman (Leitung): Beethoven: Klavierkonzert Nr.5, Choralfantasie, «Meeresstille und glückliche Fahrt», Yefim Bronfman (Klavier), Schweizer Kammerchor, Arte Nova Classics (Sony BMG), 82876 82585 2.