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Ensemble Libertango: Piazzollas «El Angel»

07.10.2006 — Tangokompositionen – auch diejenigen des Tango Nuevo – sind in aller Regel Charakterstücke, und sie verleugnen die Tatsache nicht, dass ihre Wurzeln in der Tanzmusik zu finden sind. Dazu gehört auch die typische Länge von ein paar wenigen Minuten, die ihnen eigen ist. Will ein Komponist da weiter ausgreifen, so kann er als Ersatz für die fehlende grosse Form praktisch nur mehrere Sätze zu einem Zyklus zusammenfassen. Astor Piazzolla, der grosse Erneuerer des «argentinischen Blues’» hat genau dies immer wieder getan. Neben Zyklen wie der «Histoire du Tango» für Flöte und Gitarre ist der Jahreszeitenzyklus wohl die populärste solche Zusammenstellung. Auch der Angel-Zyklus ist als Ganzes konzipiert, mit Einleitung («Introducción del Angel»), Tango und Milonga del Angel, Tod («Muerte del Angel») und Auferstehung («Resurreción del Angel»). Die Stücke finden sich allerdings verstreut auf verschiedenen Einspielungen, und man stellt sich dabei sofort die Frage, weshalb Piazzolla selber die Suite offensichtlich nie als Ganzes eingespielt hat – auch von anderen Zyklen, allen voran dem Jahreszeitenzyklus – existieren keine Gesamtaufnahmen. Die Frage muss hier offen bleiben.

Den Zyklus hat nun das deutsche Ensemble Libertango integral eingespielt, und zwar in Arrangements für die eigene Besetzung von Klavier (Christoph Iacono), Geige (Kazuo Nuranaka), Cello (Sebastian Maas), Kontrabass (Birgit Muranaka) und Akkordeon (Thomas Kampe). Es beweist damit, dass die Stückfolge sehr wohl eine abgerundete grössere Form ergibt.

Die mit Unterstützung des NDR 1 Niedersachsen beim deutschen Label Laika Records erschienene CD ist im Juli 2005 im kleinen Sendesaal des NDR Hannover aufgenommen worden und umfasst neben der Engelssuite die Stücke «Escualo» und die ebenfalls zum Zyklus – «Silfo y Ondina» – zusammengestellten «Tangata», «Fugata» und «Soledad». Mit dem an das melancholische «Soledad» anschliessende, verhaltene «Oblivión» klingt die CD etwas kraftlos aus.

Die Arrangements der Gruppe sind stilsicher und geschmackvoll, auch wenn man etwa ein Stück wie die «Milonga del Angel» automatisch an der perfektionistischen Aufnahme misst, die Piazzolla auf dem von Kip Hanrahan produzierten Album «Hora Zero» mit seinem Quintett selber vorgelegt hat. Da wirkt denn doch einiges – nicht zuletzt wegen des Ersatzes des rauhen Bandoneontones durch das elegantere Akkordeon und dem Fehlen des typischen Gitarrenkolorits – klanglich geglättet. Dass man sich die Version des Ensemble Libertango dennoch gerne immer mal wieder anhört, liegt an der Authentizität und Originalität der Gruppe, die ihren eigenen, gültigen Zugang zum Kosmos des Tango Nuevo gefunden hat. (wb)

Ensemble Libertango – Astor Piazzolla: El Angel, Laika Records Nr. 3510216.2, www.libertango.de

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