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Fernando Otero: Pagina de Buenos Aires

25.07.2008 — Der argentinische Tango ist eine der Weltmusikformen, die einen Brückenschlag zwischen klassischer Kammermusik, Folkore und Jazz ermöglichen. Er hat sich in den letzten Jahrzehnten in die vielfältigsten Richtungen entwickelt. Die internationale Resonanz, die das Wirken des Pianisten Fernando Otero erfährt, weist ihn zweifelssohne als einen der interessanteren Neuerer des Stils aus. Der Argentinier, der im urbanen Schmelztiegel New Yorks eine neue Heimat gefunden hat, ist dank der Vermittlung der Schauspielerin Selma Hayek an einer Hollywood-Party mit dem legendären Bandleader Quincy Jones zusammengekommen, hat aber auch mit Persönlichkeiten wie dem Filmkomponisten Dave Grusin und dem Klarinettisten Paquito d’Rivera gearbeitet, und das Kronos Quartet hat im Februar dieses Jahres in der Carnegie Hall ein Auftragswerk des aufstrebenden Weltenbürgers zur Uraufführung gebracht.

Sein CD-Debüt «X Tango» hat Otero noch als Eigenproduktion veröffentlicht, für die aktuelle Produktion «Pagina de Buenos Aires» ist er beim renommierten Warner-Label Nonesuch untergekommen. Sekundiert wird er dabei vom Bandoneonisten Hector Del Curto, der mit 17 bereits im legendären Orchester Osvaldo Puglieses Einsitz genommen hatte und heute unter anderem mit Piazzollas früherem Pianisten Pablo Ziegler im Trio und Quintett tourt. Mit von der Partie sind aber auch Oteros Duopartner, der Geiger Nick Danielson − in der New Yorker Musikszene ebenfalls eine omnipräsente Persönlichkeit − weitere Streicher, ein Trompeter (Diego Urcola) und ein gut zwei Dutzend Mitglieder umfassendes Kammerorchester.

Über die kompositorische Ausbildung Oteros ist so gut wie nichts zu erfahren, auch auf seiner eigenen Webseite www.fernandootero.com nicht. Ins Orchestrieren und Dirigieren eingeführt hat er sich offenbar in Kursen Domingo Marafiottis, des Leiters des Orchesters am Teatro Colón von Buenos Aires. Und er schätzt naheliegenderweise Strawinsky und Bartók, die in der europäischen Tradition für die Synthese aus Kunstmusik und Folkore stehen, sowie selbstverständlich Astor Piazzolla, aber auch den brasilianischen Weltmusiker Egberto Gismonti oder den urugayischen Multiinstrumentalisten Hugo Fattoruso.

Seine eigene Musik schwankt zwischen kurzatmiger, in typischer Tango-Attacke synkopierender Motorik, die kaum eine durchgearbeitete Entwicklung erfährt, sondern eher rauhe Texturen entfaltet, und eher minimalistischen Kantilenen, die sich über solche Klangflächen aufschwingen. Tragen erstere unverkennbar die Signatur des Tango Nuevo, erinnern letztere vor allem in den Duos mit dem Geiger Danielson streckenweise an die reduzierte Ästhetik Arvo Pärts.

Die Albumblätter aus Buenos Aires muten vorläufig eher wie eine Willenskundgebung an, dem Idiom der Heimatstadt eine Vitalisierungskur aus geschäftigem New York und improvisatorischer Fiebrigkeit zu verpassen − ein Unterfangen, das wesentlich gewinnen wird, wenn sich die Melodik aus den hier noch etwas zufällig und atemlos wirkenden Mäandern zu befreien und Zellen zu bilden vermag, die grössere Formen zu tragen vermögen. (wb)

Fernando Otero: Pagina de Buenos Aires, Nonesuch, Warner Music 2008

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