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Gustavo Dudamel dirigiert Mahlers Fünfte

15.06.2007 — Der venezolanische Dirigent Gustavo Dudamel und das Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela bieten in vielfacher Hinsicht Raum für Projektionen. Der Frische und Unbefangenheit der jungen südamerikanischen Musiker wird eine Revitalisierung des doch etwa matt und borniert gewordenen europäischen Klassikbetriebs zugetraut, und das vom Dirigenten José Antonio Abreu ins Leben gerufene einzigartige System der Jugendförderung, aus dem sie herausgewachsen sind, weckt teils nicht ganz romantikfreie Träume von kulturellem und sozialem Ausgleich im Nord-Süd-Dialog. Die Jugendlichen genügen sich dabei keineswegs damit, exotisches Lokalkolorit nach Europa zu exportieren, sondern reklamieren gleich die ideellen Schlüsselwerke der urdeutschen und -österreichischen Sinfonik für sich: Nach den Sinfonien fünf und sieben Beethovens hat Dudamel nun Mahlers Fünfte aufgenommen – die seit Willem Mengelberg im Jahre 1926 mehr als 160 Mal auf Tonträger gebannt worden ist.

Der kühne Griff geschieht keineswegs auf unbedarfte Art. Dudamel beschäftigte sich unter Anleitung Abreus intensiv mit dem Werk. 2004 gewann er damit sogar den renommierten Gustav Mahler Dirigierwettbewerb der Bamberger Symphoniker. Und kein geringerer als Claudio Abbado erarbeitete die Sinfonie etwas später mit dem erfrischenden venezolanischen Jugendorchester.

Abbado, der als Genie des konzertanten Augenblicks und eher nachlässiger Probenarbeiter gilt, dürfte die nun vorliegende Einspielung des Sinfonie durch das Orchester unter Dudamel – sie ist im Februar 2006 im Grossen Saal der Ciudad Universitaria von Caracas entstanden – wohl weniger geprägt haben, als der lernbegierige Shootingstar aus Barquisimeto, der Hauptstadt des venezolanischen Bundesstaates Lara.

Das Ensemble bleibt der überaus komplexen und in dynamischen und klanglichen Aspekten akribischen Partitur in den Details kaum etwas schuldig. In den grossen Zügen und den Wechseln von Charakter, Stimmung und Tempo mutet sie hingegen streckenweise etwas unbeweglich an. Auch den Mut, die ab und an grotesken und parodistischen Passagen des Notentextes auch auszuspielen, mochten die jungen Instrumentalisten und ihr Chef nicht wirklich zu fassen.

Gelegenheit, sich im besten Licht zu präsentieren, bieten die fünf Sätze den Solisten des Jugendorchesters – allen voran den Blechbläsern –, die ihre hohen spieltechnischen und gestalterischen Fähigkeiten keineswegs verstecken müssen. Im Kollektiv werden sie aber auch den überaus raffinierten Mixturen und figurativen Effekten der Sinfonie gerecht. (wb)

Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela, Gustavo Dudamel (Leitung): Mahler 5, Deutsche Grammophon 2007.

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