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Händel-Interpreten der letzten fünfzig Jahre

06.03.2009 — Es gibt sie heute zuhauf: Kompilationen, Sampler, Best-of und wie die Kollektionen musikalischer Glanzmomente (mit meist auch matten Partien) heissen mögen. Sie verursachen wenig Kosten und verkaufen sich meist gut, wenn man’s richtig macht. Natürlich drängt sich ein solches Album auch aus Anlass des Händel-Jahres auf. Decca hat dazu seinen Backup-Katalog und denjenigen des Label-Partners Deutsche Grammophon geplündert.

Herausgekommen ist − nein, keine beliebige Fast-food-Scherbe, sondern eine lohnenswerte Hörreise durch die Geschichte der Barockgesangs der letzten fünfzig Jahre, die nebenbei auch interessante Quervergleiche zwischen grossen Stimmen mehrerer Generationen erlaubt.

Man muss sich die historischen Aspekte allerdings selber erarbeiten. Die Abfolge der Titel zeigt nämlich weder in Sachen Unterscheidung zwischen Oper und Oratorium noch in der Chronologie System. Vielmehr scheint sie ganz aus der Dramaturgie der einzelnen Arien zu einem Ganzen zu finden; dies allerdings auf stimmige Art und Weise.

Die ältesten, 1959 erstmals publizierten Aufnahmen stammen von Russell Oberlin («Ah, dolce nome» aus Muzio Scevola), Grace Bumbry («Father of Heaven» aus Judas Maccabaeus) und Fritz Wunderlich («Verdi Prati» aus Alcina). Alle drei sind Höhepunkte der Kollektion. Auch weitere überragende Beiträge sind älteren Datums, so etwa eine Einspielung des Titels «Piangeró la sorte mia» aus Giulio Cesare aus dem Jahr 1961, gesungen von einer Teresa Berganza, deren Stimme auch heute von ihrem Charisma nichts verloren hat.

Es gibt aber auch Titel, die in diese Sammlung besser nicht aufgenommen worden wären. So hat man etwa in dem Vergleiche aufdrängenden Umfeld den Eindruck, man werde Zeuge davon, wie ein überdrehter und undifferenzierter Rolando Villazón sich mit «Ciel e terra armi di sdegno» aus Tamerlano (dem jüngsten Beitrag) sich vor der Zeit selber in den stimmlichen Ruin treibt.

Aber auch Marilyn Horne, die 1964 in «Hence Iris, hence away» aus Semele ständig etwas neben der gemeinten Tonhöhe zu liegen scheint, macht das Zuhören nicht gerade zum Vergnügen, und Joan Sutherlands 1962 erschienenes «Tornami a vagheggiar» aus Alcina tönt überraschend blass und dünnstimmig − möglicherweise ist dies auch der Aufnahmetechnik zuzuschreiben.

Letzteres mag aber auch damit zusammenhängen, dass Sutherlands Beitrag gleich auf den Ohrwurm «Ombra mai fu» aus Serse folgt, in dem Placido Domingo wirklich alles mobilisiert, was seine Lunge hergibt. Die Aufnahme aus dem Jahr 2002 ist wie einige andere dem potenten Belcanto verpflichtet. Daneben finden sich aber auch eher kammermusikalische Nummern, allen voran Nigel Robsons intimes und betörendes «Waft her, angels, through the skies» aus Jephta mit den English Baroque Soloists unter John Eliot Gardiner. (wb)

Händel:Gold; Arien mit Cecilia Bartoli, Danielle De Niese, Luciano Pavarotti, Fritz Wunderlich, Rolando Villazón, Teresa Berganza, Thomas Quasthoff, Bryn Terfel und zahlreichen andern, Doppel-CD, Universal Music/Decca 478 1460.

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