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Julia Fischer spielt Bach-Konzerte

20.02.2009 — Nach den Solopartiten und -sonaten für Violine hat die junge deutsche Geigerin Julia Fischer nun auch die Violinkonzerte des Thomaskantors auf CD eingespielt, und zwar zusammen mit der Academy of St Martin in the Fields, die sie dabei selber leitet. Neben den Konzerten a-Moll BWV 1041 und E-Dur BWV 1042 finden sich auf der Silberscheibe das Doppelkonzert für zwei Violinen d-Moll BWV 1043, bei dem Fischers gleichaltriger Kollege Alexander Sitkovetsky den zweiten Part übernimmt, und das Konzert für Oboe und Violine c-Moll BWV 1060 mit Andrey Rubtsov als Bläsersolist. Die Aufnahmen sind im Juni vergangenen Jahres in der St.-Paul’s-Kirche von Deptford in London realisiert worden. Zur Zeit (Februar 2009) tourt Fischer mit den Bach-Konzerten in den USA.

Der Zufall will es, dass Einspielungen der beiden Konzerte BWV 1041 und 1042 vor kurzem auch von Anne-Sophie Mutter vorgelegt worden sind − als Auftakt zu Sofia Gubaidulinas «in tempus praesens» (siehe Rezension). Ein Vergleich der Interpretationen der beiden herausragenden Musikerinnen, welche die mittlere und die junge Generation deutscher Geigensolistinnen repräsentieren, drängt sich also förmlich auf.

Da finden sich zum einen Gemeinsamkeiten: Keine der beiden versteht sich als Spezialistin für Alte Musik, beide entstammen Schulen des 20. Jahrhunderts, die den grossen Meisterwerken der klingenden Kunst eine zeitlose Autonomie zugestehen. Anne-Sophie Mutter tut dies als Ziehkind des Dirigenten Herbert von Karajan, Fischer, die in der Saison 2009/10 als Artist in Residence des Tonhalle Orchesters Zürich amten wird, als Adeptin der Menuhin-Schule.

Im Booklet der CD schreibt Fischer, dass sie die Bach-Konzerte als Virtuosenstücke sehe, an denen ein Geiger seine Freude haben könne. Um den virtuosen Charakter und die Spielfreude eher zu betonen, spiele sie die Konzerte deshalb auch schneller als sonst. Und tatsächlich wirken Mutters (von der Kritik im Grossen und Ganzen eher ungnädig aufgenommene Gelegenheits-Versionen) im Vergleich zu Fischers federnder und vitaler Musikantik nicht nur behäbiger, sondern erstaunlich matt und eindimensional.

Fischers Bach lebt vom lustvollen Spiel mit klanglichen Valeurs, kleinen rhythmischen Frechheiten und dem differenzierten Dialog mit dem Orchester, der sich − etwa im langsamen Satz des E-Dur-Konzertes − von elegischer Zurückhaltung bis zu schon fast romantisch anmutendem, expressivem Aufbäumen aufspannen kann. Das routinierte britische Ensemble verrät dabei ab und zu auch seine Wurzeln in der historischen Musizierpraxis, welche in den vergangenen zwanzig, dreissig Jahren die fehlende Individualität der Barockmusik mit aggressiver Attacke und schon fast überbetont-kantigen Phrasenkonturen wettzumachen versucht hat.

Die beiden Doppelkonzerte bilden Auftakt und Ausklang der CD. BWV 1043 wird dabei nicht als exhibitionistischer Wettstreit inszeniert, sondern als in allen Farben schillerndes polyphones Gewebe, bei dem sich die Sologeigen den Orchesterstimmen gleichgestellt in einen transparent-kristallinen Gesamtklang einfügen. Der Mix aus Violine und Oboe in BWV 1060 wiederum bildet einen lyrisch-unprätentiösen Abschluss des Konzertreigens, ebenfalls kein Wetteifern applausheischender Virtuosen, sondern ein eher zurückhaltendes Zwiegespräch auf der Suche nach harmonischer Vereinbarkeit unterschiedlicher Klangwelten. (wb)

Julia Fischer: Bach Concertos, Academy of St Martin in the Fields, Decca 478 065

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