12.06.2009 — Die Mezzosopranistin Magdalena Kožená hat mit dem Venice Baroque Orchestra unter Andrea Marcon bereits ein Album mit Händel-Arien eingespielt. Nun schiebt sie zusammen mit dem gleichen Ensemble eine CD mit Arien aus Opern Vivaldis nach. Im Booklet findet die Lebensgefährtin Simon Rattles und diesjährige Artiste étoile des Lucerne Festival teils schräg anmutende Vergleiche für die Musik des Prete rosso, der selber von sich behauptet hat, 94 Opern geschrieben zu haben.
Virtuose Kabinettstücklein wie «Armatae face» aus einer Oper mit dem pompösen Titel «Juditha triumphans devicta Holofernes barbarie» oder «Nel profonde» aus «Orlando furioso» (die mit Marcon am Pult zur Zeit mit viel Erfolg vom Theater Basel auf die Bühne gebracht wird), seien eine Art olympischer Wettkampf, bei dem immer wieder offen bleibe, ob man das Ende des Parcours auch wirklich erreiche. Die impressionistisch anmutenden langsamen Arien wiederum atmeten den Geist des Zen oder erinnerten an Yoga, meint Kožená. Vivaldis Musik sei, so die Sängerin weiter, ein akustisches Pendant zum venezianischen Muranoglas, das bereits durch einen einzigen Fehler seine magische Vollkommenheit verliere.
Das sind originelle Charakterisierungen, die einen reflektierten Zugang zu diesen höchst kunstvollen und mit hohem musikalischem Geschmack komponierten Kleinode verraten. Allerdings fällt Kožená auch auf, dass es keine Vivaldi-Hits (im Sinne von Ohrwürmern) gebe; dies hat natürlich damit zu tun, dass die Vivaldi-Opern auf einem sehr hohen Niveau austauschbar wirken und nicht wie seine Instrumentalmusik eine unverwechselbare, eigene und für die Gattung wegweisende Handschrift zeigen.
Die ihnen zugrundeliegenden Geschichten haben denn auch den Ruch einer Art am Fliessband produzierter Telenovelas ihrer Zeit (Vivaldi streicht ja seine Produktivität selber stolz heraus). Da wird – meist in antikem Ambiente geliebt, geeifersüchtelt, gemeuchelt, intrigiert und verführt, dass einem die heutigen «Desperate Housewives» wie eine Truppe fantasieloser Kleinbürger vorkommen.
Marcon und sein Orchester holen mit Spielwitz das Beste aus diesen Partituren, kontrast- und überraschungsreich, mit viel Elan und Freude am rhythmischen und klanglichen Detail. Koženás eher schwere Stimme, die in der Höhe etwas zu Härten neigt und die luftige Poesie der lyrischen Partien in ein recht schweres Parfüm taucht, drängt sich nicht gerade auf für ein solches Projekt. Ihre exzellente Interpretationskunst macht diesen Mangel an natürlicher Übereinstimmung aber durchaus wett. (wb)
Magdalena Kožená: Vivaldi. Venice Baroque Orchestra, Andrea Marcon (Leitung). Arien aus «Tito Manlio», «Juditha triumphans devicta Holofernes barbarie», «Orlando furioso», «La Verità in Cimento» und anderen. Archiv Produktion (Deutsche Grammophon), Best. Nr. 477 8069.