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Oscar Peterson (1925 – 2007): «Night Train»

28.12.2007 — Die an dieser Stelle präsentierte Aufnahme ist für einmal weder neu noch unbekannt. Es handelt sich vielmehr um einen Klassiker aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts: «Night Train − The Oscar Peterson Trio» ist eines der Alben, das den Ruf des «andern» kanadischen Pianisten in die ganze Welt getragen hat: Ähnlich wie Glenn Gould in der Welt der klassischen Musik hat sich der Jazzmusiker Oscar Peterson stets abseits der grossen Zentren seiner Branche bewegt, und ähnlich wie Gould war er ein harter und kompromissloser Arbeiter, der ein singuläres, hoch diszipliniertes und dennoch von Spielfreude förmlich durchtränktes Werk hinterlassen hat. Mit Glenn Gould verbindet ihn überdies die Tatsache, dass er 1993 den Preis verliehen erhalten hat, der den Namen des Kollegen aus der klassischen Zunft trägt.

Der Grund, dass es der Rezensent wieder hervorgeholt hat, ist der Tod Petersons. Er ist kurz vor Weihnachten (am 23. Dezember 2007) einem Nierenversagen erlegen − nachdem er sich nach einem schweren Schlaganfall im Jahr 1993 wieder so weit ins Musikleben zurückgekämpft hatte, dass er − wenn auch nicht in alter Frische − wieder konzertieren konnte.

Eine Krankheit hatte ihn bereits ans Klavier gebracht. Eigentlich wollte er nach dem Vorbild von Louis Armstrong Trompeter werden. Daran hinderte ihn eine Tuberkulose. So nahm er halt mit den Tasten vorlieb. Angesichts der harmonischen Raffinesse, zu der er an dem Instrument fähig war, muss man sich fragen, ob ihm sein Körper da nicht einen Dienst erwiesen hat.

Im Alter von vierzehn Jahren hat Peterson bereits seine eigene lokale Rundfunkshow, und 1949 entdeckt ihn der bedeutende Impresario Norman Granz, der ihm an einem seiner legendären «Jazz at the Philharmonic»-Konzerten in der New Yorker Carnegie Hall zum internationalen Durchbruch verhilft.

Seine Stärken konnte Peterson am besten in kleinen Formationen ausspielen. So auch auf «Night Train», zusammen mit dem Bassisten Ray Brown und dem Schlagzeuger Ed Thigpen. Da spielt er bekannte Blues-Nummern wie «C Jam Blues», «Georgia On My Mind» oder «Easy Does It» und entlockt dem Klavier dabei zugleich eine Fülle an orchestralen Farben wie auch an energiereichen, perlenden und tanzenden Linien.

Seine Improvisationen sind stets sowohl musikantisch als auch formal perfekt. Sie wirken frech, virtuos und dennoch aus einem Guss − als müsste jeder Ton genau dort sein, wo er ihn hinsetzt. Alles ist Erfindung, nichts Routine, und jede Phrase hat eine Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit, die den herausragenden Ausnahmekönner ausmacht.

Mit Oscar Peterson ist einer der ganz Grossen gestorben. Einer, der nicht Jazz, nicht Blues, nicht amerikanische Musik und nicht Klaviermusik gespielt hat, sondern ganz einfach Musik. Einer, der ein Stück Weltkulturerbe hinterlassen hat. (wb)

«Night Train − The Oscar Peterson Trio», 1963 Verve Records New York. Aufgenommen am 15. und 16. Dezember 1962 in Los Angeles. Produzent: Norman Granz.

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