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Saitenspiele für laue Sommerabende

27.06.2008 — Aus dem Musikunterricht wachsen allerorten Streicher- und Bläsergruppen, aber auch Spezialorchester, in denen Musiklehrer ihre Schüler zum gemeinsamen Tun zusammenbringen. Solche Spezialensembles sind vor allem in der Grauzone zwischen Kunst- und Volksmusik verbreitet, da entwickeln von der breiten Öffentlichkeit wenig bemerkt Akkordeon-, Zithern-, Flöten- oder Mandolinenensembles, aber auch Posaunenchöre und Mundharmonikagruppen ein reges Eigenleben. Sie sind dabei überaus wichtige Träger der musikalischen Jugendförderung.

In diese Reihe gehört auch das Jugendgitarrenorchester Baden-Württemberg; zugleich weist es über den pädagogischen und gemeinschaftsbildenden Alltag der Spezialorchester hinaus. Es hatte als erste Landesauswahl von Gitarristinnen und Gitarristen − die meisten davon Preisträger der Landes- oder Bundeswettbewerbe «Jugend musiziert» − für andere Ensembles in und ausserhalb Deutschlands Vorbildcharakter.

Seine Konzerte und Auslandstourneen, die vom Deutschen Musikrat und dem Goethe Institut gefördert werden, haben es auch schon bis nach Australien, Kuba, China, Südkorea und Zentralamerika geführt. Im kommenden September tourt das Ensemble durch Russland, und im Oktober sind Konzerte in Strassburg, Karlsruhe und Brühl programmiert. Mehr Infos dazu finden sich auf der Webseite des Orchesters.

Auf seiner mittlerweile vierten CD konzertiert das Ensemble unter der Leitung seines Dirigenten Helmut Oesterreich zusammen mit dem georgischen Brüderduo Nick und David Kvaratskhelia. Dargeboten werden dabei sowohl Originalwerke für die Besetzung als auch Transkriptionen. Zu letzteren gehört das a-Moll-Konzert op.3 Nr.8 für zwei Violinen und Orchester aus Antonio Vivaldis «L’Estro Armonico», welches das Solistenduo für Gitarren eingerichtet hat, und Joseph Haydns Concerto in C für Orgelleiern, zwei Hörner und Streicher (Hob. VIIh:1). In beiden Fällen ergibt sich ein eigener, durchaus ansprechender Charakter der Originalmusik − vor allem durch den Ersatz der zu andauernder Tonerzeugung fähigen fülligen Streicher durch rasch verklingende angerissene Saiten.

Sehr interessant ist in dem originell und stimmig zusammengestellten Programm auch die Transkription von Vokalsätzen aus dem 16. Jahrhundert, die an eine Tradition aus der Zeit anknüpft: Es handelt sich um Madrigale Ruggero Giovanellis (1560-1625) und Giovanni Maria Nanino (1543-1607), die in der Gitarrenversion naturgemäss weniger den harmonischen, dafür mehr den komplexen rhythmisch-tänzerischen Charakter betonen.

Mit dem Lorca Concerto für zwei Gitarren und Gitarrenorchester des 1949 geborenen Gerald Gracia findet sich auch eine Originalkomposition für die Besetzung auf der Silberscheibe, ein eher konventionelles, aber atmosphärisch dichtes Werk, das an die Musik von Albeniz, Rodrigo und andere spanische Nationalkomponisten erinnert. Den Abschluss macht eine Adaption von Astor Piazzollas in einem Reigen tango-nuevo-tpyischer perkussiver Effekte endendes Fugata. Dass auch diese Adaption zu überzeugen vermag, dürfte mit der Person des Bearbeiters zu tun haben; es handelt sich um einen kubanischen Gitarristen und Piazzolla-Kenner namens Joel San Martin. (wb)

JGO meets Duo Kvaratskhelia. Jugendgitarrenorchester Baden-Württemberg, Duo Kvaratskhelia, Leitung Helmut Oesterreich. Antonio Vivaldi: Concerto en la (L’Estro armonico) op3 nr 4; Ruggero Giovanelli: Ero cosi dicea; Giovanni Nanino: Morir non può ‚l mio core – Lasso ch ogni auguelletto; Joseph Haydn: Concerto in C; Gerald García: Lorca-Concerto; Astor Piazzolla: Fugata. earslovemusic elm 319.8002.2. Webseite des Orchesters: www.jgo-bw.de

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