14.12.2007 — Der Freiburger Ranz des vaches (Kühreihen) hat in der Schweizer Volksmusik eine Sonderstellung. Der ritualisierte Gesang, mit dem von Hirten seit Jahrhunderten Kühe eingetrieben werden, hat eine ungewöhnlich expressive und melancholische Qualität. Neben dem Wort «loba», einem keltischen Wort für «Kuh», rufen die Hirten die Namen der Kühe, schildern in improvisierten Versen aber überdies ihre Lebenserfahrungen. Damit hat der Gesang auch eine erdverbundene existentielle Seite. Da erstaunt es wenig, dass Jean-Jacques Rousseau bereits im 18. Jahrhundert ein Verbot erwähnt, den Ranz des vaches in der Nähe von Schweizer Söldnern zu singen. Er weckte in den Soldaten Heimweh und lähmte damit den Kampfgeist. Eine herausragende Rolle spielt der Ranz des vaches aber auch, weil er vom Freiburger Musiklehrer Joseph Bovet in den 1920er-Jahren mit einfachen und dennoch kunstvollen Bearbeitungen auf ein allgemeingültiges Niveau gebracht worden ist.
Wenn der Freiburger Jazzpianist Thierry Lang den Ranz des vaches als den Blues seiner Heimatregion bezeichnet, dann hat das also tatsächlich etwas für sich. Und dass der Vergleich mehr als ein Bonmot darstellt, beweist er auf der CD «Lyoba» gleich selber − mit Arrangements von Liedern Bovets und dessen Seelenverwandten Pierre Kaelin. In den Bearbeitungen der A-cappella-Lieder verzichtet Lang auf ein Schlagzeug, dafür ergänzt er Klavier und Kontrabass (Heiri Känzig) um ein Celloquartett (Daniel Pezzotti, Andy Plattner, Daniel Schaerer, Ambrosius Huber), das den Charakter der Männerchorsätze widerspiegelt. Das Ensemble kontrastiert als Solist der Trompeter Matthieu Michel.
Entstanden ist ein stilles, elegisches und kammermusikalisches Album, das jedem der fünf gewählten Lieder und Langs eigenem «Nan» als Dreingabe einen eigenen Charakter verleiht. Einige werden von A-capella-Sätzen der Celli eingeleitet, in einigen entfaltet sich über einem Liegeton melodischer Reichtum, aber auch Anklänge an die Ästhetik des Tango nuevo finden sich oder an intime Formen der Música Popular Brasileira − dank der Celli, die in dieser eine bedeutende Rolle spielen. Lang wie auch Michel geben sie Gelegenheit, ihre herausragenden Fähigkeiten als Balladenspieler und klangbewusste Melodiker unter Beweis zu stellen. Aufgenommen worden ist die CD diesen Oktober − also erst gerade vor einigen Wochen − im Radiostudio Zürich. (wb)
Thierry Lang: Lyoba, Musiques Suisses, MGB-NV3, www.musiques-suisses.ch