Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Yundi Li: Konzerte von Liszt und Chopin

26.01.2007 — Der junge chinesische Pianist Yundi Li sieht sich beim Aufbau seiner Karriere im Spannungsfeld von mehreren – teils heftigen – Kontroversen in der Welt der klassischen Musik. Zum einen verkörpert er neben Lang Lang den aufstrebenden Typ des Supervirtuosen aus dem Reich der Mitte mit einer technischen Souveränität, wie sie bislang nur grosse Ausnahmekönner in dem Geschäft eigen war. Dabei kniet es sich gleich ins grosse romantische Repertoire. Die hierzulande übliche Ochsentour durch die barocke und klassische Literatur, mit der sich der «seriöse» Nachwuchs zunächst ein bequemes Polster an künstlerischer Glaubwürdigkeit zulegt, lässt er aus – mit einer kleinen Ausnahme: Auf einer Rezital-CD hat er allerdings auf das Mozart-Jahr hin neben einem Werk von Liszt auch Mozarts Sonate KV 330 und Scarlatti-Piècen eingespielt.

Zum andern hat er im Jahr 2000 als jüngster Sieger in der Geschichte in Warschau den renommierten, aber auch berüchtigten Internationalen Chopin-Wettbwerb gewonnen. Erstmals nach 15 Jahren (will sagen nach drei Durchführungen) wurde dabei mal wieder die Goldmedaille vergeben.

Der Chopin-Wettbewerb steht immer wieder im Verdacht, Protégés von Jury-Mitgliedern zu bevorzugen. So trat etwa 1980 Martha Argerich aus Protest gegen das Ausscheiden Ivo Pogorelichs aus dem Gremium aus. Den damaligen Gewinner kennt man heute nicht einmal mehr dem Namen nach, was man von Pogorelich nun wirklich nicht behaupten kann. Auch die bislang letzte Auflage des Wettbewerbs im Jahr 2005 war von polemischen Nebentönen begleitet. In der polnischen Presse heftig kritisiert wurde vor allem das Ausscheiden der Teilnehmerin Aleksandra Mikulska, die in der Jury keinen «Betreuer» hatte. Sie erhielt aus Protest einen von der Pianistin Barbara Bukowska gestifteten inoffiziellen Trostpreis.

Solche Rahmenbedingungen sind einer lupenreinen Virtuosenkarriere nicht unbedingt förderlich. Der Gewinn des Warschauer Wettbewerbs brachte Yundi Li aber immerhin einen Vertrag mit der Deutschen Grammophon ein, für die er bereits mehrere CD – vor allem mit Werken von Chopin und Liszt – eingespielt hat. Auf der jüngsten Aufnahme präsentiert er sich erstmals mit Orchester und mit dem ersten Klavierkonzert Chopins, mit dem er 2000 auch in Warschau angetreten war. Auf der vorliegenden Aufnahme wird Li vom Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Andrew Davis begleitet. Die Einspielung ist im Juli 2006 im Londoner Watford Colosseum realisiert worden.

Gleich in den ersten Takten des im Vergleich zum eher lyrischen Chopin-Konzert recht kurzen, aber leidenschaftlichen Liszt-Werk macht Li klar, dass er die Klaviertechnik im Traum beherrscht und auch über einen starken gestalterischen Willen verfügt. Dennoch bewegt sich die Wiedergabe der beiden romantischen Pièces de resistance in recht konventionellen Bahnen. Da ist man gespannt, in welche Richtung die zweifelsohne überaus begabte Nachwuchshoffnung sich in den kommenden Jahren bewegen wird. (wb)

Yundi Li (Klavier), Philharmonic Orchestra (Leitung Andrew Davis): Franz Liszt Klavierkonzert Nr.1, Frédéric Chopin, Klavierkonzert Nr. 1, Deutsche Grammophon 477 6402

Schreibe einen Kommentar