11.04.2014 — Wenn es noch eines Beweises bedürfte, dass die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunstmusik auch den Blick auf die Klassik schärft, diese CD erbrächte ihn. Sie dokumentiert eine Art Third Stream der Interpretation älterer Werke, der weniger Öffentlichkeit schafft als die Auseinandersetzungen um traditionelles und historisch-informiertes Musizieren. Die mediale Diskussion konstrastiert in der Regel Wiedergabe-Traditionen des 20. Jahrhunderts (mit Karajan als Kühlerfigur) und geschichtlich-rekonstruierendem Musizieren (á la Harnoncourt und Norrington). Daneben finden sich aber eben auch Interpreten, die ihr Ohr ästhetisch an den Klangwelten und Spieltechniken der Neuen Musik geschärft haben und sich so neue Zugänge zu Altem schaffen.
11.04.2014 — Wenn es noch eines Beweises bedürfte, dass die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunstmusik auch den Blick auf die Klassik schärft, diese CD erbrächte ihn. Sie dokumentiert eine Art Third Stream der Interpretation älterer Werke, der weniger Öffentlichkeit schafft als die Auseinandersetzungen um traditionelles und historisch-informiertes Musizieren. Die mediale Diskussion konstrastiert in der Regel Wiedergabe-Traditionen des 20. Jahrhunderts (mit Karajan als Kühlerfigur) und geschichtlich-rekonstruierendem Musizieren (á la Harnoncourt und Norrington). Daneben finden sich aber eben auch Interpreten, die ihr Ohr ästhetisch an den Klangwelten und Spieltechniken der Neuen Musik geschärft haben und sich so neue Zugänge zu Altem schaffen.
Sie legen keine Bekenntnisse zur politisch-korrekten Auslegung eines historischen Notentextes ab, entwickeln aber eine so hohe Ausdeutungskultur, dass sie auch Vergangenem faszinierend neues Leben einzuhauchen vermögen. Das hat sich mittlerweile auch an den Musikhochschulen durchgesetzt. Am Stil der nachdrängenden Generation konzertierender Musiker lässt sich deshalb kaum noch ein ideologisches Bekenntnis auslesen; er zeugt in erster Linie von weitem ästhetischem Horizont.
Noch spannender wird’s, wenn sich erfahrene Spezialisten mischen: Die Geigerin Antje Weithaas, die auch als künstlerische Leiterin der Camerata Bern amtet, hat sich nicht zuletzt als Interpretin von Werken der klassischen Moderne einen exzellenten Namen gemacht, Daniel Sepec, der in Basel unterrichtet, ist (unter anderem) ein profilierter Barockspezialist. Die Bratschistin Tabea Zimmermann setzt sich immer wieder für die zeitgenössische Musik ein und hat etwa Ligetis Sonate pour alto seul uraufgeführt, der Cellist Jean-Guihen Queyras wiederum amtete auch schon als Solist des Ensembles Intercontemporain. Die vier bilden das Arcanto Quartett, eine Anhäufung ungewöhnlich breitgefächerter Spielkompetenz.
Seine Interpretationen mozartscher Kammermusikwerke ‒ hier zum einen des Quartetts d-Moll KV 421 ‒ lässt sich denn auch kaum in eine der Schubladen versorgen, die sich medial dankbar vermitteln lassen, weil sie einen polemisch-skandalisierenden Ton treffen und sich gegen irgendwas richten. Sie folgen keinen Ismen, sie sind einfach exzellente Kammermusik. Dass sich zu dem Quartett für die Wiedergabe des Klarinettenquintetts KV 581 zum andern auch noch der Klarinettist Jörg Widmann gesellt, der als Komponist und Interpret alte und neue Welten synthetisiert, sorgt für zusätzlichen Mehrwert. Da sitzt jede Phrase, stimmt jede Nuance. So entspannt und spannungsreich zugleich, so vibrierend wie asketisch, klangsensibel, transparent und dicht ist Mozart selten zu hören. Seine Musik wird da aus jeglicher zeitlicher Bedingtheit herausgelöst. Auch als Zuhörer darf man frei atmen und sich von Allgemeinmenschlichem fesseln lassen. (wb)
Info:
Wolfgang Amadeus Mozart, Clarinet Quintet, String Quartet K.421, Arcanto Quartett, Jörg Widmann (Clarinet), harmonia mundi, HMC 902168.