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Veröffentliche Beiträge in “Im Gespräch”

Schweizer Bauernkapellen des 19. Jahrhunderts

Cover CD28.04.2014 -- Es gibt in der Alpenländischen Volksmusik ein Klischee: Blasmusikkapellen finden sich in Bayern, Zithern im Tirol, Streichmusiken im Appenzell als knorrige Eigenart, in der restlichen Deutschschweiz dudeln und hudigäggelen Handörgeli und Klarinetten. Dabei verhält es sich in dieser Hinsicht wie beim Besitzanspruch aufs Alphorn, in das historisch zwar im ganzen Alpenraum geblasen worden ist, das am stärksten aber mit Schweizer Tradition verbunden wird. Bayern hin oder her, auch in der Schweiz hatten Blasmusiken historisch als Tanzkapellen und Volksmusikensembles Bedeutung. Lebendig geblieben ist in Sachen Hörnern, Tuben und Trompeten aber vor allem die Tradition der in Dorfvereinen organisierten Harmoniemusiken, die hierzulande nach wie vor auf hohem Niveau gepflegt werden, zur Volksmusikszene aber eher lockere Verbindung haben. Finden sich in der Schweiz Musikanten ausserhalb dieser staatstragenden Strukturen zum populären Musizieren, orientieren sie sich stärker an den kernigeren Traditionen des benachbarten Auslandes, der bierseligen bayerischen Blasmusik oder den wilden, virtuosen Balkanformationen.

Das Arcanto Quartett spielt Mozart

CD Cover11.04.2014 -- Wenn es noch eines Beweises bedürfte, dass die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunstmusik auch den Blick auf die Klassik schärft, diese CD erbrächte ihn. Sie dokumentiert eine Art Third Stream der Interpretation älterer Werke, der weniger Öffentlichkeit schafft als die Auseinandersetzungen um traditionelles und historisch-informiertes Musizieren. Die mediale Diskussion konstrastiert in der Regel Wiedergabe-Traditionen des 20. Jahrhunderts (mit Karajan als Kühlerfigur) und geschichtlich-rekonstruierendem Musizieren (á la Harnoncourt und Norrington). Daneben finden sich aber eben auch Interpreten, die ihr Ohr ästhetisch an den Klangwelten und Spieltechniken der Neuen Musik geschärft haben und sich so neue Zugänge zu Altem schaffen.

Die Klaviermusik der Bach-Söhne

Cover CD Bach Söhne28.03.2014 -- Mit historischen Instrumenten? Historisch informiert? Beides? Eins von beidem? Frei kombiniert? Heute herrscht da Pragmatismus, man erinnert sich aber an Zeiten, als die neuen Zugänge zur alten Ästhetik dogmatisch gesetzt wurden und etwa ein András Schiff gegen den Zeitgeist Zeichen setzte, indem er Johann Sebastian Bachs Konzerte ‒ was für eine Provokation! ‒ wieder oder nach wie vor auf dem Konzertflügel spielte. Noch pointierter wird die Frage der «richtigen» Wahl mit Blick auf die Musik der Bach-Söhne ‒ speziell in Carl Philipp Emanuels 300. Geburtsjahr, das wir heuer begehen. Zu eng scheinen ihre Werke den epochenverhafteten Tüfteleien und Experimenten mit neuen Instrumenten, dem Hammerflügel, respektive Fortepiano, und neuen Formen, der Phantasie, der modernen Sonate, dem eleganten Stil, geschuldet.

The Hilary Hahn Encores

14.03.2014 -- Bekanntlich gibt’s heute von allem zu viel, zu viel Konzerte, zu viel «originelle» und «innovative» neue Werke, zu viel (zu gute) Musiker, noch zu viel mehr (noch zu bessere) Musikerinnen, dem Normalkonsumenten ist’s schon lange schwindlig geworden. Das heutige Musikleben erträgt sich nur noch mit einer gehörigen Portion vorsätzlicher Ignoranz. In diesem überhitzten Zeitalter beschenkt uns die amerikanische Geigerin Hilary Hahn ausgerechnet mit Noch-mehrs ‒ Encores ‒ , einem Projekt, das man nicht mehr missen möchte, weil’s wie zu wenig des ansonsten Zuvielen etwas wirklich Zwingendes und Tiefgründiges hat. 26 Stücke hat Hahn direkt in Auftrag gegeben, für ein 27. hat sie einen Wettbewerb ausgeschrieben und zu ihrer eigenen Überraschung vierhundert Eingaben erhalten, was sie drei Monate lang beschäftigte ‒ allein mit Durchspielen der Wettbewerbsbeiträge.

Dagmar Manzel singt Hollaender-Lieder

Cover Menschenskind28.02.2014 -- Wir machen ja nur ungern in Kulturpessimismus, das Anhören dieser CD hat uns aber dazu verleitet: Was man heute so alles ertragen muss in Sachen Kleinkunst-Humor von Stand-ups, Comedians, Slammern, Komikern, Late-Night-Talkern mit zunehmend regressiven Tendenzen, und wie infantilisiert fühlt man sich dabei mittlerweile… ‒ das merkt man erst wieder so richtig, wenn man sich diese Chansons anhört. Was für Texte! Was für hintergründige Musik! Hollaender, der «lachende Melancholiker» liebte die Menschen, und er verstand sie. Nie setzte er auf ihre Kosten Pointen, immer schwingt Achtung vor dem Versuch mit, sich in der eigenen Existenz, und sei diese noch so an den Rand gedrängt, mit Würde und Haltung einzurichten, und sei diese noch so eigensinnig. Hollaender war der authentische Satiriker: Ein im Grunde ernsthafter Mensch und Moralist, der bloss aus Verzweiflung über die Absurdität der Welt zum Mittel des Humors greift, der abgewiesene Liebhaber der Gesellschaft, der weiter liebt und diese Widersinnigkeit in zärtliche Ironie umschmiedet, der Gutmensch, der aus dem Spott über seine scheinbare Naivität das Gegengift der originellen Verse destilliert.

Avi Avital: Between Worlds

Cover Avital14.02.2014 -- Klangerzeuger können zur Camera obscura für Musik werden. Dann spiegeln sich Preziosen aus fremden akustischen Universen und funkeln in allen Farben. Machmal ergeben sich dabei Artefakte ‒ Moirés, Doppelbilder, Auren ‒, die man mögen kann oder auch nicht. Das geschieht etwa, wenn die Harfenistin Catrin Finch Bachs Goldberg-Variationen auf ihr Instrument abbildet, oder der Akkordeonist Richard Galliano die rauhen Klangwelten des Tango-Bandoneons durch den Metallzungen-Weichzeichner schickt, oder wenn der Klezmer-Klarinettist Giora Feidman klassische Werke in den emphatischen Klagegestus jüdisch-osteuropäischer Lebensfeiern taucht. Auf vielfältige Weise haben Komponisten aus der europäischen Kunstmusik-Tradition dies auch mit ihren eigenen Volksmusiktraditionen getan, Bartók mit rumänischen Tänzen, de Falla mit spanischen Liedern, Villa-Lobos mit den Choros seiner Heimat oder Dvořák in Amerika mit der Klängen seiner alten Heimat.

Abbado und das Orchestra Mozart 2013 in Luzern

Cover CD31.01.2014 -- Diese CD wird unvermittelt zum Memento mori: Sie dokumentiert dreifach einen bedeutenden Teil dessen, was Lucerne Festival ausmacht und ‒ wie zur Zeit der Konzerte, die sie dokumentiert,  nicht zu ahnen war ‒ in dieser Verkörperung unwiederbringlich verloren ist: Zum ersten eigenwillige Interpreten-Persönlichkeiten, zum zweiten Elder Statesmen des Musiklebens. Am Vierwaldstättersee sind (respektive waren) dies allen voran Pierre Boulez und Claudio Abbado. Zum dritten Ensembles, aus ästhetischem oder pädagogischem Geiste geboren. Der Spirit of Lucerne, der mittlerweile auch etwas Weihevolles hat und das KKL zu einer Art säkularem (?) Grünem Hügel mit Seeanschluss des 21. Jahrhunderts macht, verdichtete sich auch im März 2013. In zwei Konzerten standen Werke der Wiener Klassik, von Mozart, Beethoven und Schubert auf dem Programm. Die beiden Mozart-Klavierkonzerte KV 503 und KV 466 sind für dieses Album aus den beiden Konzertabenden herausdestilliert worden.

Janine Jansen spielt Bach-Konzerte

Cover Jansen Bach17.01.2014 -- Einspielungen der Bach-Konzerte mit Violine als Soloinstrument gibt es wie Sand am Meer, eine mehr mutet da etwas beliebig an, vor allem wenn sie nicht eine neue oder auch bloss modische Weise des historisch-informierten Musizierens (HIM) dokumentiert. Anhand der Fülle an Einspielungen lassen sich immerhin alle möglichen Positionen in Sachen Interpretation einander gegenüberstellen. Anne-Sophie Mutter, bekanntlich keine grosse Freundin barock-politischer Korrektheit, hat sie auf CD in den letzten Jahren mit einem Werk Sofia Gubaidulinas kombiniert und damit ihren zeitlos spirituellen Charakter betont, Julia Fischer hat sie in eleganter Vollendung als Meisterwerke präsentiert, die zeitlos gültigen Charakter haben. Die Barock-Fraktion des HIM hat sie wie Diamanten in allen möglichen Lichtern funkeln lassen.

Barenboim West-Eastern Divan Orchestra

03.07.2006 — Das West-Eastern Divan Orchestra ist 1999 von Daniel Barenboim und dem 2003 verstorbenen palästinensischen Literaturhistoriker Edward Said gegründet…