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Verarmt das Feuilleton immer mehr?

Von Wolfgang Böhler

 

Porträt Wolfgang Böhler23.08.2017 — Tamedia hat angekündigt, die Redaktionen ihrer Tageszeitungen – unter anderem «Tages Anzeiger», «Bund» und «Berner Zeitung» – zu fusionieren. Dies weckt Befürchtungen, die traditionelle Printberichterstattung zur Kultur könnte gefühlt noch mehr verarmen. Insbesondere Kulturinstitutionen in Städten wie Bern, die (mit den Tamedia-Blättern «Bund» und «Berner Zeitung») fast ausschliesslich von Titeln eines Zeitungsverlags bedient werden, müssen damit rechnen, kaum noch auf dem Radar eines lokalen Feuilletons zu sein. Man kann dies allerdings bloss dann als Leistungsabbau verstehen, wenn man das Modell des 19. und 20. Jahrhunderts vor sich sieht, in dem eine (sehr) überblickbare Menge an Veranstaltern eine (sehr) überblickbare Menge an Veranstaltungen veranstaltete und es ein paar wenigen Berichterstattern in Form von Redaktoren und freien Mitarbeitern möglich war, deren Aktivitäten mehr oder weniger lückenlos mit Vorschauen, Hintergrundberichten und Kritiken zu begleiten. Das waren dann das Stadttheater, das Symphonieorchester, ein paar Chöre und Kammerensembles, vielleicht ein, zwei Jazzclubs und eine Handvoll Kinos.

Von Wolfgang Böhler

 

Porträt Wolfgang Böhler23.08.2017 — Tamedia hat angekündigt, die Redaktionen ihrer Tageszeitungen – unter anderem «Tages Anzeiger», «Bund» und «Berner Zeitung» – zu fusionieren. Dies weckt Befürchtungen, die traditionelle Printberichterstattung zur Kultur könnte gefühlt noch mehr verarmen. Insbesondere Kulturinstitutionen in Städten wie Bern, die (mit den Tamedia-Blättern «Bund» und «Berner Zeitung») fast ausschliesslich von Titeln eines Zeitungsverlags bedient werden, müssen damit rechnen, kaum noch auf dem Radar eines lokalen Feuilletons zu sein. Man kann dies allerdings bloss dann als Leistungsabbau verstehen, wenn man das Modell des 19. und 20. Jahrhunderts vor sich sieht, in dem eine (sehr) überblickbare Menge an Veranstaltern eine (sehr) überblickbare Menge an Veranstaltungen veranstaltete und es ein paar wenigen Berichterstattern in Form von Redaktoren und freien Mitarbeitern möglich war, deren Aktivitäten mehr oder weniger lückenlos mit Vorschauen, Hintergrundberichten und Kritiken zu begleiten. Das waren dann das Stadttheater, das Symphonieorchester, ein paar Chöre und Kammerensembles, vielleicht ein, zwei Jazzclubs und eine Handvoll Kinos.

 

In Tat und Wahrheit wird heute bereits so viel Kulturjournalismus – auch hervorragender – betrieben als je zuvor, und dennoch wird kaum noch ein Bruchteil dessen, was so läuft, abgebildet. Ob nun auch noch letzte Reste der traditionellen kritischen Begleitung lokaler Institutionen verschwindet, ist dabei eher zweitrangig. Die Frage ist, ob das, was das Feuilleton früher für die Kultur leistete, heute überhaupt vermisst wird – Interesse daran haben doch eher die Institutionen selber, welche die redaktionelle Beachtung als Form des Selbstmarketings verstehen – und wodurch es gegebenfalls ersetzt werden müsste, und wie.

 

Hinweise auf interessante Veranstaltungen fehlen heute zum Beispiel nicht. Die Funktionen haben die Eigenpublikationen der Kulturinstitutionen und die sozialen Medien übernommen. Beurteilungen von kulturellen Leistungen, welche die Qualität der Angebote garantieren und Ungenügendes aussortieren, werden durch den professionellen Diskurs an Kunsthochschulen, Wettbwerben und in Förderstiftungen garantiert. Man hat den Verdacht, dass der gefühlte Abbau von Kulturjournalismus im Blätterwald vor allem von denen beklagt wird, die einst als Kulturjournalisten der Illusion nachhängen konnten, im Kulturbetrieb als Kritiker und Vermittler eine bedeutende Rolle zu spielen.

 

Was aber fehlt wirklich im heutigen Kulturjournalismus? In erster Linie müsste er Debatten und die Reflektion über die Kultur orchestrieren. Da bieten die Kulturinstitutionen mit ihren eigenen Publikationen eigentlich eine Steilvorlage. Man müsste diese Selbstdarstellungen kontinuierlich kritisch hinterfragen und andere Perspektiven aufzeigen. Allerdings sind es nicht selten dieselben Journalisten, die für die Zeitungen schreiben und die institutionellen Medien mit Texten bedienen. Ein solcher Spagat ist halt eben schwierig. Wenn der Kulturjournalismus an Schärfe und Relevanz verliert, ist das also auch eine Folge davon, dass Kulturjournalisten auf zu vielen Hochzeiten tanzen.

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